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Scholastische Philosophie auf einer biblisch-reformatorischen Website? Wie geht denn das?! Was soll das?!

Nun, ich bin der Überzeugung, dass es in der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden nicht möglich ist, sich allein auf die Bibel zu berufen, sondern dass da eher Argumente helfen, die auch Juden, Moslems, Hindus und Nichtgläubige nachvollziehen können, Argumente, die auf dem beruhen, was man die "Philosophie des gesunden Menschenverstandes" (R. Hüntelmann) bezeichnen kann. Im übrigen hat sich in der Verwirklichung zu zeigen, ob das geht oder nicht.


Dreh- und Angelpunkt der scholastischen Philosophie ist die Akt-Potenz-Theorie, die auf Aristoteles zurückgeht und "Das Wesen des Thomismus" ausmacht, wie der bedeutende Neuscholastiker Gallus M. Manser in seinem Werk breit entfaltet.

Diese Philosophie ist keinsweg eine katholische Erfindung, wie ihr viele Gegner vorwerfen, wenn sie auch vornehmlich im katholischen Bereich beheimatet war und noch teilweise ist.

Das zeigt sich derzeit auch daran, dass diese mitunter als aristotelisch-thomistische bezeichnete Philosophie mittlerweile wieder eine größere Beachtung findet.

... hier zeigt sich, dass diese Philosophie zu den heute meist diskutierten philosophischen Problemen und Fragen einen Beitrag leisten kann und in vielen Fällen Antworten bietet, die denen der vorherrschenden philosophischen Strömung der Gegenwart, der analytischen Philosophie, zumindes ebenbürtig sind.
Rafael Hüntelmann, Grundkus Philosophie I, Vorwort


Obwohl Martin Luther gegen die Scholastiker ankläffte, den Aristoteles als heidnische Bestie, als verdammten, hochmütigen, schalkhaften Heiden betitelte und Thomas von Aquin diffarmierte, indem er in ihn den Born und die Grundsuppe aller Ketzerei und allen Irrtums sah:
Es gibt konservative Lutheraner, die eine scholastische Ontologie à la Aquins nicht nur als vereinbar mit der reformatorischen Lehre halten, sondern auch der Meinung sind, dass die Theologie ihrer bedarf.
So z.B. Dieter Knoch, Parrer i.R. in der Selbständig-Evangelischen-Lutherischen Kirche (SELK), der in seiner Einführung zu "De Ente et Essentia" fragt:

Warum bedarf die heutige Theologie einer solchen Ontologie?

  • Sie bedarf ihrer, denn in ihr lässt sich Wesentliches aus der Nähe des hebräischen Denkens in der Bibel verdeutlichen...
  • Sie bedarf ihrer zu einer neuen, bejahenden Würdigung der altkirchlichen und lutherischen DOGMEN, die auf dem hebräisch-griechischen Boden gewachsen sind.
    Anm.: Zu erinnern ist an die Doppelfront gegen Pelegianer und Manichäer in Sol. Decl. I und ihre Nachfolger in der Dogmengeschichte, an die Partizipation im Sinne von 1 Kor 10,16 beim Heiligen Abendmahl und BSKL: Sol. Decl. VII, 11.54.59.82.84.
  • Sie bedarf ihrer zur Verdeutlichung, daß die großen schriftgemäßen DOGMEN der Trinität und Christologie im Grundsatz IM EINEM IST VIELES, auch weltlichen Gegebenheiten nicht ferne ist.
  • Sie bedarf ihrer zur Verdeutlichung, daß theologische Auffassungen nicht anders als in Begriffen, Sätzen, worin bedeutungsgefüllt Einzelnes zu Sprache kommt, ausgedrückt werden kann.
  • Sie bedarf zur Lösung der Frage nach Bleibendem und zeitlichem Wandel der Aussagen dieser Ontologie.

Thomas von Aquin, De Ente et Essentia Vom Seienden und Wesen, Lateinisch-Deutsch, übertragen und eingeleitet von Dieter Knoch, LIT Verlag Berlin, 2008, Seite XXVI f.

Zu erwähnen bleibt, dass Luther wohl niemals Thomas von Aquin selber gelesen, ihn wahrscheinlich nur durch die Brille Wilhelm Ockhams wahrgenommen hat.

Wichtig aber vor allem: Luther war nicht gegen die Bemühungen der Philosophen an sich eingestellt, sondern nur dagegen, dass die Einsichten der Vernunft als Regel und Richtschnur für die Interpretration der Heiligen Schrift gelten soll. Darin sah er nämlich eine Perversion des wahren Verhältnisses von Philosophie und Theologie. So lesen wir in der Kirchenpostille , dass St. Thomas und andere Scholastiker aufgrund heidnischer Kunst und natürlicher Vernunft von Gottes Wort abgeführt hätten, weil sie gesagt haben:

Der Natur Licht sei gleich wie eine schöne lichte Tafel, und die Schrift sei wie die Sonne, so auf eine solche Tafel scheint, daß sie desto schöner gleiße. Also scheine auch das göttliche Licht auf das Licht der Natur und erleuchte es. Mit diesem Gleichniß haben sie die heidnische Lehre auch in die Christenheit gebracht; die haben darnach die Hohen Schulen allein gelehrt und getrieben, so gar, daß sie selbst solches Gleichniß eben umgekehrt, daß sie durch solche, der Vernunft und Aristoteles, Kunst und Lehre haben die Schrift erleuchten wollen; welche doch das einige rechte Licht ist, ohne welche alles Licht der Vernunft eitel Finsterniß ist in göttlichen Sachen und Artikeln des Glaubens.
St. L. IX, 457 - meine Hervorhebung

Mehr noch ersieht man das aus der Disputatio de homine, der Disputation über den Menschen, aus dem Jahre 1536, in der er philosophisch das Wesen des Menschen als Animal rationale definiert, das begrenzte Recht dieser Definition angibt, aber auch seine Kritik an dieser zum Ausdruck bringt, um danach die theologische Definition und deren Recht zu präsentieren, um diese dann schließlich abzugrenzen gegen die philosophische, insbesondere scholastische Bestimmung.
siehe: disputatio de homine


Anhand der 24 Thesen zur Thomistischen Philosophie, die von der Hl. Studienkongregation unter Pius X. veröffentlicht wurden, möchte ich die Grundlagen des Thomismus erläutern.