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Die Schmalkaldischen Artikel (1537)

Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche (1930)
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
S. 405-468

Artikel christlicher Lehre, die auf das Konzil zu Mantua oder wo es sonst zusammegetreten wäre, hätten übergeben werden sollen, um anzuzeigen, was wir annehmen und nachgeben können oder nicht etc.
Durch Doktor Martin Luther geschrieben. Anno 1537

I. Das erste Teil ist von den hohen Artikeln der göttlichen Majestät, nämlich:

1. Daß Vater, Sohn und Heiliger Geist in einem göttlichen Wesen und Natur drei unterschiedliche Personen ein einiger Gott ist, der Himmel und Erden geschaffen hat etc.

2. Daß der Vater von niemand, der Sohn vom Vater geboren, der Heilige Geist vom Vater und Sohn ausgehend.

3. Daß nicht der Vater noch der Heilige Geist, sondern der Sohn Mensch geworden sei.

4. Daß der Sohn also Mensch geworden sei, daß er vom Heiligen Geist ohne männliches Zutun empfangen und von der reinen, heiligen Jungfrau Maria geboren sei, danach gelitten, gestorben, begraben, zur Hölle gefahren, auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel, sitzend zur Rechten Gottes, künftig, zu richten die Lebendigen und die Toten etc., wie der Apostel, ferner das Athanasianische Symbol und der allgemeine Kinderkatechismus lehrt.

Diese Artikel sind in keinem Zank noch Streit, weil wir zu beiden Seiten dieselben bekennen. Darum ist es nicht vonnöten, jetzt weiter davon zu handeln.

II. Der andere Teil ist von den Artikeln, die das Amt und Werk Jesu Christi oder unsere Erlösung betreffen.

Hier ist der erste und Hauptartikel:

1. Daß Jesus Christus, unser Gott und Herr, »um unserer Sünden willen gestorben und um unserer Gerechtigkeit willen auferstanden« sei (Röm 4, 25), und er allein das Lamm Gottes ist, das der Welt Sünde tragt« (Joh 1, 29), und »Gott unser aller Sünde auf ihn gelegt hat« (Jes 53, 6), ferner: »Sie sind allzumal Sünder und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung Jesu Christi in seinem Blut« etc. (Röm 3, 23-25).

Dieweil nun solches geglaubt werden muß und sonst mit keinem Werk, Gesetz noch Verdienst erlangt oder gefaßt werden kann, so ist es klar und gewiß, daß allein solcher Glaube uns gerecht mache, wie Röm 3,28 S. Paulus spricht: »Wir halten, daß der Mensch gerecht werde ohne Werke des Gesetzes durch den Glauben«, ferner: »Auf daß er alleine gerecht sei und gerecht mache den, der da ist des Glaubens an Jesus« (Röm 3,26).

Von diesem Artikel kann man nicht weichen oder nachgeben, es falle Himmel und Erde oder was nicht bleiben will; denn es »ist kein anderer Name den Menschen gegeben, dadurch wir können selig werden«, spricht S. Petrus (Apg 4,12). »Und durch seine Wunden sind wir geheilt« (Jes 53,5).

Und auf diesem Artikel steht alles, was wir gegen den Papst, Teufel und Welt lehren und leben. Darum müssen wir dessen gar gewiß sein und nicht zweifeln. Sonst ist's alles verloren und behält Papst und Teufel und alles gegen uns Sieg und Recht.

2. Der andere Artikel:

Daß die Messe im Papsttum der größte und schrecklichste Greuel sein muß, der stracks und gewaltig gegen diesen Hauptartikel strebt und doch über und vor allen anderen päpstlichen Abgöttereien der höchste und schönste gewesen ist; denn es ist gehalten, daß solch Opfer oder Werk der Messe (auch durch einen bösen Buben getan) den Menschen helfe von Sünden, beides, hier im Leben und dort im Fegefeuer, welches doch allein das Lamm Gottes tun soll und muß, wie droben gesagt etc. Von diesem Artikel ist auch nicht zu weichen oder nachzulassen; denn der erste Artikel leidet’s nicht.

Und wo etwa vernünftige Papisten wären, möchte man dermaßen und freundlicherweise mit ihnen reden, nämlich: Warum sie doch so hart an der Messe hielten?
1. Ist es doch ein lauter Menschenfündlein, von Gott nicht geboten. Und alle Menschenfündlein mögen wir fallen lassen, wie Christus spricht Mt 15,9: »Sie dienen mir vergeblich mit Menschengeboten«.
2. Zum andern ist es ein unnötiges Ding, das man ohne Sünde und Gefahr wohl lassen kann.
3. Zum dritten kann man das Sakrament viel besser und seligerweise nach Christi Einsetzung kriegen. Was ist's denn, daß man um einer unnötigen, erdichteten Sache willen, da man's sonst wohl und seliger haben kann, die Welt in Jammer und Not zwingen wollte?
Man lasse den Leuten öffentlich predigen, wie die Messe als ein Menschentand ohne Sünde unterbleiben möge und niemand verdammt werde, der sie nicht achtet, sondern wohl ohne Messe wohl auf bessere Weise selig werden möge. Was gilt's, ob die Messe alsdann nicht von selbst fallen wird, nicht allein bei dem tollen Pöbel, sondern auch bei allen frommen, christlichen, vernünftigen, gottesfürchtigen Herzen? Viel mehr, wo sie hören würden, daß es ein gefährliches Ding ist, ohne Gottes Willen erdichtet und erfunden.
4. Zum vierten, weil solche unzähligen, unaussprechlichen Mißbräuche in aller Welt mit Kaufen und Verkaufen der Messe entstanden [sind], sollte man sie billig fahrenlassen, allein um solchen Mißbräuchen zu wehren, wenngleich sie an sich selber etwas Nützliches und Gutes hätten; wie viel mehr soll man sie fahrenlassen, um solche Mißbräuche ewig zu verhüten, weil sie doch gar unnötig, unnütz und gefährlich sind, und man alles nötiger, nützlicher und gewisser ohne die Messe haben kann.
5. Zum fünften, da nun aber die Messe nichts anderes ist noch sein kann (wie der [Mess-]Kanon und alle Bücher sagen) als ein Werk der Menschen, (auch böser Buben), mit dem einer sich selbst und andere mit sich gegen Gott versöhnen, Vergebung der Sünden und Gnade erwerben und verdienen kann (denn so wird sie gehalten, wenn sie aufs beste gehalten wird; was sollte sie sonst?), so soll und muß man sie verdammen und verwerfen. Denn das ist stracks gegen den Hauptartikel, der da sagt, daß nicht ein Messeknecht mit seinem Werk, sondern das Lamm Gottes und der Sohn Gottes unsere Sünde trägt (Joh 1,29).

Und ob einer zum guten Schein vorgeben wollte, er wollte zur Andacht sich selbst kommunizieren, das ist nicht ernst; denn wenn er mit Ernst kommunizieren will, so hat er’s gewiß und aufs beste im Sakrament nach der Einsetzung Christi. Aber sich selbst kommunizieren ist ungewiß und unnötig, und er weiß nicht, was er macht, weil er ohne Gottes Wort falschem Menschendünkel und -fündlein folgt. So ist’s auch nicht recht (wenn alles sonst recht wäre), daß einer das Sakrament der Kirche nach seiner eigenen Andacht gebrauchen und nach seinem Gefallen ohne Gottes Wort außerhalb der Kirchengemeinschaft damit spielen will.

Dieser Artikel von der Messe wird’s ganz und gar sein im Konzil; denn wo es möglich wäre, daß sie uns alle anderen Artikel nachgeben, so können sie doch diesen Artikel nicht nachgeben, wie der Campegius zu Augsburg gesagt hat, er wollte sich eher in Stücke zerreißen lassen, ehe er die Messe fahren lassen wollte. So werde ich mich auch mit Gottes Hilfe eher zu Asche machen lassen, bevor ich einen Messeknecht mit seinem Werk meinem Herrn und Heiland Jesus Christus gleich oder höher sein lasse. Also sind und bleiben wir ewig geschieden und gegeneinander. Sie fühlen’s wohl: Wenn die Messe fällt, so liegt das Papsttum. Ehe sie das geschehen lassen, töten sie uns alle.

Über das alles hat dieser Drachenschwanz, die Messe, viel Ungeziefer und Geschmeiß mancherlei Abgötterei gezeugt:

Erstens das Fegefeuer. Da hat man mit Seelenmessen, Vigilien, dem siebten, dem dreißigsten und jährlichem Begängnis, zuletzt mit der Gemeindewoche und dem Allerseelentag und Seelenbad ins Fegefeuer gehandelt, daß die Messe schier allein für die Toten gebraucht ist, so doch Christus das Sakrament allein für die Lebendigen gestiftet hat. Darum ist das Fegefeuer mit all seinem Gepränge, Gottesdienst und Gewerbe für lauter Teufelsgespinst zu achten. Denn es ist auch gegen den Hauptartikel, daß allein Christus und nicht Menschenwerk den Seelen helfen soll, während uns sonst nichts von den Toten befohlen oder geboten ist.

Die Papisten führen hier Augustin und etliche Väter an, die vom Fegefeuer geschrieben haben sollen, und meinen, wir sähen nicht, wozu und wohin sie solche Sprüche führen. Sankt Augustin schreibt nicht, daß ein Fegefeuer sei, hat auch keine Schrift, die ihn dazu zwänge, sondern läßt es im Zweifel hangen, ob eins sei, und sagt, seine Mutter habe begehrt, daß man ihrer sollte gedenken bei dem Altar oder Sakrament. Nun solches alles ist ja nichts als Menschenandacht einzelner Personen gewesen, die keinen Artikel des Glaubens (welches allein Gott zugehört) stiften. Aber unsere Papisten führen solch Menschenwort dazu an, daß man ihrem schändlichen, lästerlichen, verfluchten Jahrmarkt von Seelenmessen, ins Fegefeuer zu opfern etc., glauben solle. Solches werden sie noch lange nicht aus Augustin beweisen. Wenn sie nun den fegefeuerischen Messenjahrmarkt abgetan haben, wovon S. Augustin nie geträumt hat, alsdann wollen wir mit ihnen reden, ob S. Augustins Wort ohne Schrift zu dulden sein möge und der Toten bei dem Sakrament gedacht werden solle. Es gilt nicht, daß man aus der heiligen Väter Werk oder Wort Artikel des Glaubens macht. Sonst müßte auch ein Artikel des Glaubens werden, was sie für Speise, Kleider, Häuser etc. gehabt hätten, wie man mit dem Heiligtum (scil.: Reliquien) getan hat. Es heißt, Gottes Wort soll Artikel des Glaubens stellen und sonst niemand, auch kein Engel.

Zum anderen ist daraus gefolgt, daß die bösen Geister die Büberei angerichtet haben, daß sie als Menschenseelen erschienen sind, Messe, Vigilien, Wallfahrten und andere Almosen geheischt mit unsäglichen Lügen und Schalkheit, welches wir alle haben für Artikel des Glaubens halten und danach leben müssen, und der Papst solches bestätigt, wie auch die Messe und anderen Greuel alle. Und hier ist kein Weichen oder Nachlassen.

Zum dritten: die Wallfahrten. Da hat man auch Messen, Vergebung der Sünden und Gottes Gnade gesucht; denn die Messe hat’s alles regiert. Nun ist das ja gewiß, daß solche Wallfahrten uns nicht geboten, auch nicht vonnöten sind, weil wir’s wohl besser haben mögen und ohne alle Sünde und Gefahr lassen mögen. Warum läßt man denn daheim den eigenen Pfarrer, Gottes Wort, Weib und Kind etc., die nötig und geboten sind, und läuft den unnötigen, ungewissen, schädlichen Teufelsirrwischen nach, nur weil der Teufel den Papst geritten hat, solches zu preisen und bestätigen, damit die Leute ja häufig von Christus auf ihr eigenes Werk fielen und abgöttisch würden, welches das Ärgste daran ist? Abgesehen davon, daß es unnötig, ungeboten, ungeraten und ungewiß, dazu ein schädliches Ding ist. Darum ist hier auch kein Weichen oder Nachgeben etc.

Zum vierten: Die Bruderschaften, da sich die Klöster, Stifte, auch Vikaristen verschrieben und mitgeteilt haben (recht und redlichen Kaufs) alle Messen, gute Werke etc. beide, für Lebendige und Tote, welches nicht allein Menschentand, ganz unnötig und ungeboten, sondern auch gegen den ersten Artikel der Erlösung ist, darum keineswegs zu leiden.

Zum fünften: Das Heiligtum (scil.: Reliquien), worin so manche öffentliche Lüge und Narrenwerk erfunden, dazu auch weder geboten noch geraten ist, ist ganz unnötig und ein unnützes Ding. Aber das Ärgste ist, daß es auch Ablaß und Vergebung der Sünden hat wirken müssen als ein gutes Werk und Gottesdienst wie die Messe etc.

Zum sechsten: Hierher gehört der liebe Ablaß, der beiden, den Lebendigen und Toten, gegeben ist (doch um Geld) und worin der Papst die Verdienste Christi samt den übrigen (überschüssigen) Verdiensten aller Heiligen und der ganzen Kirche verkauft etc.; welches alles nicht zu leiden ist, und auch nicht allein ohne Gottes Wort, ohne Not, ungeboten, sondern auch dem ersten Artikel zuwider ist. Denn Christi Verdienst wird nicht durch unser6 Werk oder Pfennig, sondern durch den Glauben aus Gnaden erlangt, ohne alles Geld und Verdienst, nicht durch des Papstes Gewalt, sondern durch die Predigt oder Gottes vorgetragenes Wort.

Vom Heiligen-Anrufen

Die Anrufung der Heiligen ist auch der antichristlichen Mißbräuche einer und streitet gegen den ersten Hauptartikel und tilgt die Erkenntnis Christi. Sie ist auch nicht geboten noch geraten, hat auch kein Exempel der Schrift. Alle Dinge sind uns in Christus tausendmal besser gegeben, wenngleich jene ein köstliches Gut wäre, wie es doch nicht ist.

Und wiewohl die Engel im Himmel für uns bitten (wie Christus selber auch tut) also auch die Heiligen auf Erden oder vielleicht auch im Himmel, so folgt daraus nicht, daß wir die Engel und Heiligen anrufen, anbeten, ihnen fasten, feiern, Messe halten, opfern, Kirchen, Altäre, Gottesdienst stiften und auf andere Weise mehr dienen und sie für Nothelfer halten und allerlei Hilfe unter sie teilen und jedem eine besondere zueignen sollten, wie die Papisten lehren und tun. Denn das ist Abgötterei, und solche Ehre gehört Gott allein zu. Denn du kannst als ein Christ und Heiliger auf Erden für mich bitten nicht in einer, sondern in allen Nöten. Aber darum soll ich dich nicht anbeten, anrufen, feiern, fasten, opfern, Messe halten dir zu Ehren und auf dich meinen Glauben zur Seligkeit setzen. Ich kann dich sonst wohl ehren, lieben und danken in Christo. Wenn nun solche abgöttische Ehre von den Engeln und toten Heiligen weggetan wird, so wird die andere Ehre ohne Schaden sein, ja bald vergessen werden. Denn wo der Nutzen und die Hilfe, beide, leiblich und geistlich, nicht mehr zu erhoffen sind, werden sie die Heiligen wohl in Frieden lassen, beide, im Grab und im Himmel. Denn umsonst oder aus Liebe wird ihrer niemand viel gedenken, achten noch ehren.

Und in Summa : Was die Messe ist, was daraus gekommen ist, was daran hängt, das können wir nicht leiden und müssen's verdammen, damit wir das heilige Sakrament rein und gewiß, nach der Einsetzung Christi durch den Glauben gebraucht und empfangen, behalten mögen.

3. Der dritte Artikel: Von Stiften und Klöstern.

Daß die Stifte und Klöster, vorzeiten in guter Meinung gestiftet, um gelehrte Leute und züchtige Weibsbilder zu erziehen, wiederum zu solchem Gebrauch geordnet werden sollen, damit man Pfarrherren, Prediger und andere Kirchendiener haben möge, auch sonst nötige Personen zu weltlichem Regiment in Städten und Ländern, auch wohlgezogene Jungfrauen zu Hausmüttern und Haushälterinnen etc.

Wo sie dazu nicht dienen wollen, ist’s besser, man lasse sie wüst liegen oder reiße sie ein, als daß sie mit ihrem lästerlichen Gottesdienst, durch Menschen erdichtet, als etwas Besseres denn der gemeine Christenstand und die von Gott gestifteten Ämter und Orden (Berufe) gehalten werden sollten; denn das ist alles auch gegen den ersten Hauptartikel von der Erlösung Jesu Christi. Zudem, daß sie auch, wie alle anderen Menschenfündlein, nicht geboten, nicht vonnöten, nicht nützlich sind, dazu gefährliche und vergebliche Mühe machen, wie die Propheten solche Gottesdienste (hebr.) »Aven«, das ist »Mühe«, heißen.

4. Der vierte Artikel: Vom Papsttum

Daß der Papst nicht »jure divino« oder aus Gottes Wort das Haupt der ganzen Christenheit sei, denn das gehört einem allein zu, der heißt Jesus Christus, sondern allein Bischof oder Pfarrherr der Kirche zu Rom und derjenigen, die sich freiwillig oder durch menschliche Kreatur, das ist weltliche Obrigkeit, zu ihm begeben haben, um nicht unter ihm als einem Herrn, sondern neben ihm als einem Bruder und Gesellen, Christen zu sein, wie solches auch die alten Konzilien und die Zeit S. Cyprians beweisen. Jetzt aber wagt kein Bischof den Papst »Bruder« zu heißen wie zu jener Zeit, sondern muß ihn seinen »allergnädigsten Herrn« heißen, wenn’s auch ein König oder Kaiser wäre. Das wollen, sollen und können wir nicht auf unser Gewissen nehmen. Wer es aber tun will, der tue es ohne uns.

Hieraus folgt, daß alles dasjenige, was der Papst aus solch falscher, frevelhafter, lästerlicher, angemaßter Gewalt getan und vorgenommen hat, eitel teuflische Geschichte und Geschäft gewesen ist und noch ist, außer was das leibliche Regiment anbelangt, durch welches Gott auch wohl durch einen Tyrannen und Buben einem Volk viel Gutes geschehen läßt, zur Verderbung der ganzen heiligen christlichen Kirche, soviel an ihm gelegen, und zu zerstören den ersten Hauptartikel von der Erlösung Jesu Christi.

Denn da stehen alle seine Bullen und Bücher, worin er brüllt wie ein Löwe, wie der Engel in Apokalypse 10,3 zeigt, daß kein Christ selig werden könne, er sei denn ihm gehorsam und untertan in allen Dingen, was er will, was er sagt, was er tut. Welches alles nichts anderes ist, als so viel gesagt: »Wenn du gleich an Christus glaubst und alles an ihm hast, was zur Seligkeit nötig ist, so ist es doch nichts und alles umsonst, wenn du mich nicht für deinen Gott hältst, mir untertan und gehorsam bist«. Wo es doch offenbar ist, daß die heilige Kirche ohne den Papst gewesen ist zum wenigsten über 500 Jahre, und bis auf diesen Tag die griechische und vieler anderer Sprachen Kirchen noch nie unter dem Papst gewesen und noch jetzt nicht sind. So ist es, wie oft gesagt, ein Menschengedicht, das nicht geboten ist, ohne Not und vergeblich. Denn die heilige christliche Kirche kann ohne ein solches Haupt wohl bleiben und wäre es wohl besser geblieben, wenn ein solches Haupt durch den Teufel nicht aufgeworfen wäre, und es ist auch das Papsttum unnütz in der Kirche, denn es übt kein christliches Amt aus, und die Kirche muß also bleiben und bestehen ohne den Papst.

Und ich setze, daß der Papst sich des begeben wollte, daß er nicht »jure divino« oder aus Gottes Gebot der Oberste wäre; sondern damit die Einigkeit der Christenheit gegen die Rotten und Ketzerei desto besser erhalten würde, müßte man ein Haupt haben, woran sich alle anderen hielten. Solches Haupt würde nun durch Menschen erwählt, und es stünde in menschlicher Wahl und Gewalt, dasselbe Haupt zu ändern und abzusetzen. Wie zu Konstanz das Konzil (1414-18) fast diese Weise hielt mit den Päpsten, setzte deren drei ab und wählte den vierten. Ich setze nun, sage ich, daß der Papst und der Stuhl zu Rom sich dessen begeben und annehmen wollte, welches doch8 unmöglich ist; denn er müßte sein ganzes Regiment und Stand umkehren und zerstören lassen mit allen seinen Rechten und Büchern. Summa, er kann’s nicht tun.

Dennoch wäre damit der Christenheit nichts geholfen, und es würden viel mehr Rotten werden als zuvor. Denn weil man solchem Haupt nicht aus Gottes Befehl untertan sein müßte, sondern aus menschlichem guten Willen, würde es gar leicht und bald verachtet, zuletzt kein Glied behalten, müßte auch nicht immerdar zu Rom oder einem anderen Ort sein, sondern wo und in welcher Kirche Gott einen solchen Mann gegeben hätte, der tüchtig dazu wäre. O das wollte ein weitläufiges, wüstes Wesen werden.

Darum kann die Kirche nimmermehr besser regiert und erhalten werden, als daß wir alle unter einem Haupt Christus leben und die Bischöfe alle gleich nach dem Amt, ob sie wohl ungleich nach den Gaben, fleißig zusammenhalten in einträchtiger Lehre, Glauben, Sakramenten, Gebeten und Werken der Liebe etc. Wie S. Hieronymus schreibt, daß die Priester zu Alexandria sämtlich und insgemein die Kirche regierten, wie die Apostel auch getan haben und hernach alle Bischöfe in der ganzen Christenheit, bis der Papst seinen Kopf über alle erhob.

Dies Stück zeigt gewaltig, daß er der rechte Endchrist oder Widerchrist sei, der sich über und gegen Christus gesetzt und erhöht hat, weil er die Christen nicht selig sein lassen will ohne seine Gewalt, welche doch nichts ist, von Gott nicht geordnet noch geboten. Das heißt eigentlich, »über Gott und gegen Gott sich setzen«, wie S. Paulus sagt (2Thess 2,4). Solches tut dennoch der Türke noch Tartar nicht, wie große Feinde der Christen sie auch sind, sondern lassen glauben an Christus, wer da will, und nehmen leiblichen Zins und Gehorsam von den Christen.

Aber der Papst will nicht glauben lassen, sondern spricht, man solle ihm gehorsam sein, so werde man selig. Das wollen wir nicht tun, oder darüber sterben in Gottes Namen. Das kommt alles daher, daß er jure divino der Oberste hat heißen sollen über die christliche Kirche. Darum hat er sich Christus gleich und über Christus setzen müssen, sich als das Haupt, hernach als einen Herrn der Kirche, zuletzt auch der ganzen Welt und schlicht als einen irdischen Gott rühmen lassen, bis er auch den Engeln im Himmelreich zu gebieten sich unterstand.

Und wenn man des Papstes Lehre von der Heiligen Schrift unterscheidet oder sie dagegen stellt und hält, so findet sich’s, daß des Papstes Lehre, wo sie am allerbesten ist, aus dem kaiserlichen, heidnischen Recht genommen ist und weltliche Händel und Gerichte lehrt, wie seine Dekretalen bezeugen. Danach lehrt sie Zeremonien von Kirchen, Kleidern, Speisen, Personen- und des Kinderspiels, Larven- und Narrenwerks ohne Maß; aber in diesem allen gar nichts von Christus, Glauben und Gottes Geboten.

Zuletzt ist es nichts als eitel Teufel, da er seine Lügen von Messen, Fegefeuer, Klosterei, eigenen Werken und Gottesdienst, welches denn das rechte Papsttum ist, treibt über und gegen Gott, verdammt, tötet und plagt alle Christen, die solche seine Greuel nicht über alles heben und ehren. Darum, so wenig wir den Teufel selbst als einen Herrn oder Gott anbeten können, so wenig können wir auch seinen Apostel, den Papst oder Endchrist, in seinem Regiment als Haupt oder Herrn leiden. Denn Lüge und Mord, um Leib und Seele ewig zu verderben, das ist sein päpstliches Regiment eigentlich, wie ich dasselbe in vielen Büchern bewiesen habe.

An diesen vier Artikeln werden sie genug zu verdammen haben im Konzil; denn sie nicht das geringste Gliedlein von einem der Artikel uns lassen können noch wollen. Des müssen wir gewiß sein und uns verlassen auf die Hoffnung, Christus, unser Herr, habe seinen Widersacher angegriffen und werde nachdrücken, beide, mit seinem Geist und Zukunft, Amen.

Denn im Konzil werden wir nicht vor dem Kaiser oder weltlicher Obrigkeit, wie zu Augsburg, der ein ganz gnädiges Ausschreiben tat und die Sachen in Güte verhören ließ, sondern vor dem Papst und dem Teufel selbst werden wir da stehen, der nichts gedenkt zu hören, sondern schlechtweg zu verdammen, zu morden und zur Abgötterei zu zwingen. Darum müssen wir hier nicht seine Füße küssen oder sagen: »Ihr seid mein gnädiger Herr«, sondern wie in Sacharja (2, 3) der Engel zum Teufel sprach: »Strafe dich Gott, Satan«.

III. Das dritte Teil der Artikel

Folgende Stücke oder Artikel mögen wir mit Gelehrten, Vernünftigen oder unter uns selbst verhandeln, denn der Papst und sein Reich achten derselben nicht viel. Denn conscientia (Gewissen) ist bei ihnen nichts, sondern Geld, Ehre und Gewalt.

1. Von der Sünde

Hier müssen wir bekennen, wie S. Paulus Röm 5,12 sagt, daß die Sünde von Adam, dem einzigen Menschen, hergekommen sei, durch dessen Ungehorsam alle Menschen Sünder geworden sind und dem Tod und dem Teufel unterworfen. Dies heißt die Erbsünde oder Hauptsünde.

Solcher Sünde Früchte sind danach die bösen Werke, die in den Zehn Geboten verboten sind wie Unglaube, falscher Glaube, Abgötterei, ohne Gottesfurcht sein, Vermessenheit, Verzweifeln, Blindheit und Summa: Gott nicht kennen oder achten; danach lügen, bei Gottes Namen schwören, nicht beten, nicht anrufen, Gottes Wort nicht achten, den Eltern ungehorsam sein, morden, Unkeuschheit, stehlen, betrügen etc.

Solche Erbsünde ist eine so ganz tiefe, böse Verderbnis der Natur, daß keine Vernunft sie kennt, sondern sie muß aus der Offenbarung der Schrift geglaubt werden, Ps 51 und Röm 5; Ex 33; Gen 3. Darum sind das eitel Irrtü- mer und Blindheit gegen diesen Artikel, was die Schultheologen gelehrt haben:

1. Nämlich, daß nach dem Erbfall Adams des Menschen natürlichen Kräfte ganz und gar unverderbt geblieben sind. Und der Mensch habe von Natur eine rechte Vernunft und guten Willen, wie die Philosophen solches lehren.

2. Ferner, daß der Mensch einen freien Willen habe, Gutes zu tun und Böses zu lassen und wiederum Gutes zu lassen und Böses zu tun.

3. Ferner, daß der Mensch aus natürlichen Kräften alle Gebote Gottes tun und halten könne.

4. Ferner, er könne aus natürlichen Kräften Gott über alles lieben und seinen Nächsten wie sich selbst.

5. Ferner, wenn ein Mensch tut, soviel an ihm ist, so gibt ihm Gott gewisslich seine Gnade.

6. Ferner, wenn er zum Sakrament gehen will, ist nicht ein guter Vorsatz nötig, Gutes zu tun, sondern es sei genug, daß er nicht einen bösen Vorsatz, Sünde zu tun, habe, so gar gut ist die Natur und das Sakrament so kräftig.

7. Es sei nicht in der Schrift gegründet, daß zum guten Werk der Heilige Geist mit seiner Gnade vonnöten sei.

Solche Stücke und noch viele dergleichen sind aus Unverstand und Unwissenheit, beide, der Sünde und Christi, unseres Heilandes, gekommen, rechte heidnische Lehre, die wir nicht leiden können. Denn wenn diese Lehre recht sein sollte, so ist Christus vergeblich gestorben, weil kein Schaden noch Sünde im Menschen ist, wofür er sterben mußte, oder er wäre allein für den Leib, nicht auch für die Seele gestorben, weil die Seele gesund und allein der Leib des Todes ist.

2. Vom Gesetz

Hier halten wir dafür, daß das Gesetz von Gott gegeben sei, erstens, um der Sünde zu steuern mit Drohen und Schrecken der Strafe, und mit Verheißen und Anbieten der Gnade und Wohltat. Aber solches alles ist der Bosheit halber, die die Sünde im Menschen gewirkt hat, übel geraten; denn einesteils sind davon ärger geworden, die dem Gesetz feind sind darum, daß es verbietet, was sie gerne tun, und gebietet, was sie ungern tun. Deshalb, wo sie es von wegen der Strafe können, tun sie nun mehr gegen das Gesetz als zuvor. Das sind denn die rohen, bösen Leute, die Böses tun, wo sie Stätte und Raum haben.

Die andern werden blind und vermessen, lassen sich dünken, sie halten und können das Gesetz halten aus ihren Kräften, wie jetzt droben gesagt ist von den Schultheologen. Daher kommen die Heuchler und falschen Heiligen.

Aber das vornehmste Amt und Kraft des Gesetzes ist, daß es die Erbsünde mit Früchten und allem offenbare und dem Menschen zeige, wie gar tief und grundlos seine Natur gefallen und verderbt ist, als dem das Gesetz sagen muß, daß er keinen Gott habe noch achte oder bete fremde Götter an, welches er zuvor und ohne das Gesetz nicht geglaubt hätte. Damit wird er erschreckt, gedemütigt, verzagt, verzweifelt, wollte gern, daß ihm geholfen würde, und weiß nicht, wo hinaus, fängt an, Gott feind zu werden und zu murren etc. Das heißt denn Röm 4,15: »Das Gesetz erregt Zorn« und Röm 5,20: »Die Sünde wird größer durchs Gesetz«.

3. Von der Buße

Solches Amt des Gesetzes behält das Neue Testament und treibt es auch, wie Paulus Röm 1,18 tut und spricht: »Gottes Zorn wird vom Himmel offenbart über alle Menschen«, ebenso Röm 3,19.20: »Alle Welt ist vor Gott schuldig, und kein Mensch ist vor ihm gerecht«, und Christus Joh 16, 8: »Der Heilige Geist wird die Welt strafen um die Sünde«.

Das ist nun die Donneraxt Gottes, womit er beide, die offenbaren Sünder und die falschen Heiligen in einen Haufen schlägt und läßt keinen recht haben, treibt sie allesamt in Schrecken und Verzagen. Das ist der Hammer, wie Jeremia (23,29) spricht: »Mein Wort ist ein Hammer, der die Felsen zerschmettert.« Dies ist nicht activa contritio, eine gemachte Reue, sondern passiva contritio, das rechte Herzeleid, Leiden und Fühlen des Todes.

Und das heißt denn, die rechte Buße anfangen. Und der Mensch muß hier solches Urteil hören: »Es ist nichts mit Euch allen, Ihr seid öffentliche Sünder oder Heilige; Ihr müßt alle anders werden und anderes tun, als Ihr jetzt seid und tut, Ihr seid wer und wie groß, weise, mächtig und heilig, wie Ihr wollt; hier ist niemand fromm« etc.

Aber zu solchem Amt tut das Neue Testament flugs die tröstliche Verhei- ßung der Gnade durchs Evangelium, der man glauben soll. Wie Christus spricht Mk 1,15: »Tut Buße und glaubt dem Evangelium«, das ist: »Werdet und macht’s anders und glaubt meiner Verheißung.« Und vor ihm her wird Johannes ein Prediger der Buße genannt, doch zur Vergebung der Sünden. Das ist: Er sollte sie alle strafen und zu Sündern machen, auf daß sie wüß- ten, was sie vor Gott wären und sich erkennten als verlorene Menschen und also vor dem Herrn bereit würden, die Gnade zu empfangen und der Sünden Vergebung von ihm zu erwarten und anzunehmen. Also sagt auch Christus Lk 24,47 selbst: »Man muß in meinem Namen in aller Welt Buße und Vergebung der Sünden predigen.«

Wo aber das Gesetz solches sein Amt allein treibt ohne Zutun des Evangeliums, da ist der Tod und die Hölle, und muß der Mensch verzweifeln wie Saul und Judas, wie S. Paulus sagt (Röm 7,10): »Das Gesetz tötet durch die Sünde.« Wiederum gibt das Evangelium nicht auf einerlei Weise Trost und Vergebung, sondern durch Wort, Sakrament und dergleichen, wie wir hören werden; auf daß die Erlösung ja reichlich sei bei Gott, wie der Psalm 130 sagt, gegen das große Gefängnis der Sünde.

Aber jetzt müssen wir die falsche Buße der Sophisten gegen die rechte Buße halten, damit sie beide desto besser verstanden werden.

Von der falschen Buße der Papisten

Unmöglich ist es gewesen, daß sie von der Buße recht lehren sollten, weil sie die rechte Sünde nicht erkannten; denn, wie oben gesagt, sie verstehen die Erbsünde nicht recht, sondern sagen, die natürlichen Kräfte des Menschen seien ganz und unverderbt geblieben; die Vernunft könne recht lehren, und der Wille könne recht danach tun, und daß Gott gewißlich seine Gnade gibt, wenn ein Mensch tut, soviel an ihm ist, nach seinem freien Willen.

Hieraus mußte folgen, daß sie allein die wirklichen Sünden büßten wie böse bewilligte Gedanken, denn böse Bewegung, Lust, Reizung war nicht Sünde, böse Worte, böse Werke, die der freie Wille wohl hätte lassen können.

Und zu solcher Buße setzten sie drei Teile: Reue, Beichte, Genugtuung mit solcher Vertröstung und Zusage: Wenn der Mensch recht bereute, beichtete, genugtäte, so hätte er damit Vergebung verdient und die Sünde vor Gott bezahlt; sie wiesen so die Leute in der Buße auf die Zuversicht eigener Werke. Daher kam das Wort auf der Kanzel, wenn man die allgemeine Beichte dem Volk vorsprach: »Friste mir, Herr Gott, mein Leben, bis ich meine Sünde büße und mein Leben bessere.«

Hier war kein Christus und nichts vom Glauben gedacht (erwähnt), sondern man hoffte, mit eigenen Werken die Sünde vor Gott zu überwinden und zu tilgen. In der Meinung wurden wir auch Pfaffen und Mönche, daß wir uns selbst gegen die Sünde legen wollten.

Mit der Reue war es also getan: Weil niemand alle Sünden bedenken konnte, sonderlich das ganze Jahr begangen, flickten sie den Pelz also: Wenn die verborgenen Sünden nachher ins Gedächtnis kämen, müßte man sie auch bereuen und beichten etc. Indessen waren sie Gottes Gnade befohlen.

Zudem, weil auch niemand wußte, wie groß die Reue sein sollte, damit sie ja genugsam wäre vor Gott, gaben sie solchen Trost. Wer nicht »contritionem«, das ist Reue, haben konnte, der sollte »attritionem« haben, welches ich eine halbe oder Anfang der Reue nennen mag, denn sie haben selbst alles beides nicht verstanden, wissen auch noch nicht, was es bedeute, so wenig wie ich. Solche »attritio« wurde dann als »contritio« gerechnet, wenn man zur Beichte ging.

Und wenn sich’s begab, daß etwa einer sprach, er könnte nicht bereuen noch Leid haben für seine Sünde, wie es geschehen sein mochte in der Hurenliebe oder Rachgier etc., fragten sie, ob er denn nicht wünschte oder gern wollte, daß er Reue haben möchte? Sprach er dann: Ja - denn wer wollte hier »Nein« sagen außer dem Teufel selbst? -, so nahmen sie es für die Reue an und vergaben ihm seine Sünde auf solches sein gutes Werk etc. Hier führten sie S. Bernhard zum Exempel an etc.

Hier sieht man, wie die blinde Vernunft tappt in Gottes Sachen und Trost sucht in eigenen Werken nach ihrem Dünkel und an Christus oder den Glauben nicht denken kann. Wenn man’s nun bei Licht besieht, ist solche Reue ein gemachter und erdichteter Gedanke aus eigenen Kräften ohne Glauben, ohne Erkenntnis Christi, worin zuweilen der arme Sünder, wenn er an die Lust oder Rache gedacht, lieber gelacht als geweint hätte, ausgenommen die, die entweder mit dem Gesetz recht getroffen oder von dem Teufel vergeblich mit traurigem Geist geplagt gewesen sind. Sonst ist solche Reue gewiß lauter Heuchelei gewesen und hat der Sünde Lust nicht getötet; denn sie mußten bereuen, hätten lieber mehr gesündigt, wenn es frei gewesen wäre.

Mit der Beichte stand es also: Ein jeglicher mußte alle seine Sünden erzählen, welches ein unmögliches Ding ist; das war eine große Marter. Welche er aber vergessen hatte, die wurden ihm insofern vergeben, daß er sie noch beichten mußte, wenn sie ihm einfallen würden.

Damit konnte er nimmer wissen, wann er rein genug gebeichtet hätte oder wann das Beichten einmal ein Ende haben sollte, er wurde gleichwohl auf sein Werk gewiesen und gesagt: Je reiner er beichtete und je mehr er sich schämte und sich selbst also vor dem Priester schändete, je eher und besser täte er genug für die Sünde; denn solche Demut erwürbe gewißlich Gnade bei Gott.

Hier war auch kein Glaube noch Christus, und die Kraft der Absolution wurde ihm nicht gesagt, sondern auf dem Sünde Aufzählen und Schämen stand sein Trost. Es ist aber nicht zu erzählen, was für Marter, Büberei und Abgötterei solches Beichten angerichtet hat.

Die Genugtuung ist noch das allerweitläufigste; denn kein Mensch konnte wissen, wie viel er tun sollte für eine einzige Sünde, geschweige denn für alle. Hier fanden sie nun einen Rat, nämlich daß sie wenig Genugtuung auferlegten, die man wohl halten konnte, wie fünf Paternoster, einen Tag fasten etc. Mit der übrigen Buße wies man sie ins Fegefeuer.

Hier war nun auch eitel Jammer und Not. Etliche meinten, sie würden nimmer aus dem Fegefeuer kommen, dieweil nach den alten Canones sieben Jahre Buße auf eine Todsünde gehört. Dennoch stand die Zuversicht auch auf unserem Werk der Genugtuung, und wenn die Genugtuung hätte vollkommen sein können, so hätte die Zuversicht ganz darauf gestanden, und es wäre weder Glaube noch Christus nütze gewesen, aber sie war unmöglich. Wenn nun einer hundert Jahre also gebüßt hätte, so hätte er doch nicht gewußt, wann er ausgebüßt hätte. Das hieß immerdar gebüßt und nimmermehr zur Buße kommen.

Hier kam nun der heilige Stuhl zu Rom der armen Kirche zu Hilfe und erfand den Ablaß. Damit vergab er und hob auf die Genugtuung, erst einzelne sieben Jahre, hundert Jahre etc. und verteilte es unter die Kardinäle und Bischöfe, daß einer hundert Jahre, einer hundert Tage Ablaß geben konnte; aber die ganze Genugtuung aufzuheben, behielt er sich allein vor.

Da nun solches begann, Geld zu tragen, und der Bullenmarkt gut war, erdachte er das Guldenjahr und legte es nach Rom, das hieß Vergebung aller Pein und Schuld. Da liefen die Leute hinzu, denn es wäre jedermann gern von der schweren, unerträglichen Last los gewesen. Das hieß: die Schätze der Erde finden und heben. Flugs eilt der Papst weiter und macht viele Guldenjahre nacheinander. Aber je mehr Geld er verschlang, je weiter wurde ihm der Schlund. Darum schickte er’s danach durch Legaten heraus in die Länder, bis alle Kirchen und Häuser voll Guldenjahre wurden. Zuletzt rumpelte er auch ins Fegefeuer unter die Toten, erstens mit Messen- und Vigilienstiften, danach mit dem Ablaß und dem Guldenjahr, und endlich wurden die Seelen so wohlfeil, daß er eine um einen Schwertgroschen losgab.

Auch das alles half noch nicht; denn der Papst, wiewohl er die Leute lehrt, auf solchen Ablaß sich zu verlassen und vertrauen, so macht er’s doch selber wiederum auch ungewiß; denn er setzt in seine Bulle: »Wer des Ablasses oder Guldenjahres teilhaftig sein wollte, der sollte bereut und gebeichtet haben und Geld geben.« Nun haben wir droben gehört, daß solche Reue und Beichte bei ihnen ungewiß und Heuchelei ist. Desgleichen wußte auch niemand, welche Seele im Fegefeuer wäre. Und wenn etliche drinnen wären, wußte niemand, welche recht bereut und gebeichtet hätte. Also nahm er das Geld und vertröstete sie auf seine Gewalt und Ablaß und wies sie doch wiederum auf ihr ungewisses Werk.

Wo nun etliche waren, die nicht solcher wirklicher Sünden mit Gedanken, Worten und Werken sich schuldig dünkten, wie ich und meinesgleichen in Klöstern und Stiften Mönche und Pfaffen sein wollten, die wir mit Fasten, Wachen, Beten, Messehalten, harten Kleidern und Lager etc. uns wehrten gegen böse Gedanken und mit Ernst und Gewalt heilig sein wollten, und wo doch das erblich angeborene Übel etwa im Schlaf das tat, wie auch S. Augustinus und Hieronymus mit anderen bekennen, was seine Art ist, so hielt doch ein jeglicher vom andern, daß etliche so heilig wären, wie wir lehrten, die ohne Sünde voller guter Werke wären, so daß wir darauf unsere guten Werke anderen, als für uns zum Himmel überflüssig, mitteilten und verkauften, das ist ja wahr, und Siegel, Briefe und Exempel sind vorhanden.

Diese bedurften der Buße nicht; denn was wollten sie bereuen? Wo sie doch in böse Gedanken nicht einwilligten. Was wollten sie beichten? Wo sie doch böse Worte vermieden. Wofür wollten sie genugtun? Wo sie doch der Tat unschuldig waren, so daß sie auch anderen armen Sündern ihre übrige Gerechtigkeit verkaufen konnten. Solche Heiligen waren auch die Pharisäer und Schriftgelehrten zur Zeit Christi.

Hier kommt der feurige Engel S. Johannes (Offb. 10, 1), der rechten Buße Prediger, und schlägt mit einem Donner alle beide in einen Haufen, spricht: »Tut Buße!« So denken jene: »Haben wir doch gebüßt«; diese denken: »Wir bedürfen keiner Buße«. Spricht Johannes: »Tut alle beide Buße; denn ihr seid falsche Büßer, ebenso sind diese falsche Heilige, und ihr bedürft alle beide der Vergebung der Sünden, weil ihr alle beide noch nicht wißt, was die rechte Sünde sei, geschweige, daß ihr sie büßen oder meiden solltet. Es ist euer keiner gut, ihr seid voller Unglauben, Unverstand und Unwissenheit Gottes und seines Willens; denn da ist er vorhanden, von dessen Fülle wir alle Gnade um Gnade nehmen müssen (Joh 1, 16), und kein Mensch kann vor Gott ohne ihn gerecht sein. Darum, wollt ihr büßen, so büßt recht. Eure Buße tut’s nicht. Und ihr Heuchler, die ihr keiner Buße bedürft, ihr Schlangengeziefer (Mt 3,7), wer hat euch versichert, daß ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? etc.«

Also predigt auch S. Paulus Röm 3,10-12 und spricht: »Es ist keiner verständig, keiner gerecht, keiner achtet Gottes, keiner tut Gutes, auch nicht einer, allzumal sind sie untüchtig und abtrünnig«. Und Apg 17,30: »Nun aber gebietet Gott allen Menschen, an allen Enden Buße zu tun«. » Allen Menschen«, spricht er; niemand ausgenommen, der ein Mensch ist. Diese Buße lehrt uns, die Sünde zu erkennen, nämlich, daß es mit uns allen verlo-15 ren ist, Haut und Haar nicht gut ist und wir schlechthin neue und andere Menschen werden müssen.

Diese Buße ist nicht Stückwerk und armselig wie jene, die die wirklichen Sünden büßt, und ist auch nicht ungewiß wie jene, denn sie disputiert nicht, welches Sünde oder nicht Sünde sei, sondern stößt alles in den Haufen, spricht, es sei alles eitel Sünde mit uns. Was wollen wir lange suchen, teilen oder unterscheiden? Darum so ist auch hier die Reue nicht ungewiß, denn es bleibt nichts da, womit wir etwas Gutes gedenken möchten, die Sünde zu bezahlen, sondern ein bloßes, gewisses Verzagen an allem, was wir sind, denken, reden oder tun etc.

Desgleichen kann die Beichte auch nicht falsch, ungewiß, oder Stückwerk sein; denn wer bekennt, daß alles eitel Sünde mit ihm sei, der begreift alle Sünde, läßt keine aus und vergißt auch keine. Also kann die Genugtuung auch nicht ungewiß sein; denn sie ist nicht unser ungewisses, sündliches Werk, sondern das Leiden und Blut des unschuldigen »Lammes Gottes, das der Welt Sünde trägt« (Joh 1, 29).

Von dieser Buße predigt Johannes und hernach Christus im Evangelium, und wir auch. Mit dieser Buße stoßen wir den Papst und alles, was auf unsere guten Werke gebaut ist, zu Boden; denn es ist alles auf einen faulen, nichtigen Grund gebaut, welcher heißt gute Werke oder Gesetz, wo doch kein gutes Werk da ist, sondern eitel böse Werke, und niemand das Gesetz tut, wie Christus Joh 7,19 sagt, sondern allzumal übertritt. Darum ist das Gebäude eitel falsche Lügen und Heuchelei, wo es am allerheiligsten und allerschönsten ist.

Und diese Buße währt bei den Christen bis in den Tod; denn sie beißt sich mit der übriggebliebenen Sünde im Fleisch durchs ganze Leben, wie Paulus Röm 7,23 bezeugt, daß er kämpfe mit dem Gesetz seiner Glieder etc., und das nicht durch eigene Kräfte, sondern durch die Gabe des Heiligen Geistes, welche auf die Vergebung der Sünden folgt. Dieselbe Gabe reinigt und fegt täglich die übrigen Sünden aus und arbeitet, den Menschen recht rein und heilig zu machen.

Hiervon wissen Papst, Theologen, Juristen noch kein Mensch etwas, sondern es ist eine Lehre vom Himmel, durchs Evangelium geoffenbart, und muß Ketzerei heißen bei den gottlosen Heiligen.

Wiederum, wenn etliche Rottengeister kommen würden, wie vielleicht etliche bereits da vorhanden sind und zur Zeit des Aufruhrs mir selbst vor Augen kamen, die da meinen, daß alle die, die einmal den Geist oder Vergebung der Sünden empfangen hätten oder gläubig geworden wären, wenn diese hernach sündigten, so blieben sie gleichwohl im Glauben und solche Sünde schadete ihnen nichts, und schreien also: »Tu, was du willst; glaubst du, so ist’s alles nichts, der Glaube vertilgt alle Sünde« etc., und sagen dazu, wenn jemand nach dem Glauben und Geist sündige, so habe er den Geist und Glauben nie recht gehabt. Solcher unsinniger Menschen habe ich viele vor mir gehabt und sorge, daß noch in etlichen ein solcher Teufel stecke.

Darum so ist vonnöten, zu wissen und zu lehren, daß die heiligen Leute, abgesehen davon, daß sie die Erbsünde noch haben und fühlen, dawider auch täglich büßen und streiten, und überdies in öffentliche Sünden fallen wie David in Ehebruch, Mord und Gotteslästerung (2Sam 11), daß alsdann der Glaube und der Geist weggewesen ist; denn der Heilige Geist läßt die Sünde nicht walten und überhand gewinnen, daß sie vollbracht werde; sondern steuert und wehrt, daß sie nicht tun muß, was sie will. Tut sie aber, was sie will, so ist der Heilige Geist und Glaube nicht dabei. Denn es heißt, wie S. Johannes sagt (1Joh 3,9 u. 5,18): »Wer aus Gott geboren ist, der sündigt nicht und kann nicht sündigen«. Und es ist doch auch die Wahrheit, wie derselbe S. Johannes schreibt (1Joh 1,8): »Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, so lügen wir, und Gottes Wahrheit ist nicht in uns«.

4. Vom Evangelium

Wir wollen nun wieder zum Evangelium kommen, welches nicht mir auf einerlei Weise Rat und Hilfe gegen die Sünde gibt. Denn Gott ist reich in seiner Gnade: Erstens durchs mündliche Wort, worin Vergebung der Sünde gepredigt wird in alle Welt, welches das eigentliche Amt des Evangeliums ist. Zum andern durch die Taufe, zum dritten durchs Heilige Sakrament des Altars; zum vierten durch die Kraft der Schlüssel und auch per mutuum colloquium et consolationem fratrum (durch gegenseitiges Unterreden und Trösten der Brüder), Mt 18, 20: Ubi duo fuerint congregari (wo zwei oder drei versammelt sind) etc.

5. Von der Taufe

Die Taufe ist nichts anderes als Gottes Wort im Wasser, durch seine Einsetzung befohlen, oder, wie Paulus sagt, lavacrum in verbo (Eph 5,26), wie auch Augustinus sagt: Accedat verbum ad elementum et fit sacramentum (Es tritt das Wort zum Element, und es wird daraus ein Sakrament). Und darum halten wir’s nicht mit Thomas und den Predigermönchen, die des Wortes, Gottes Einsetzung, vergessen und sagen, Gott habe eine geistliche Kraft ins Wasser gelegt, welche die Sünde durchs Wasser abwasche; auch nicht mit Scotus und den Barfüßermönchen, die da lehren, daß die Taufe die Sünde abwasche aus Beistehen göttlichen Willens, also daß diese Abwaschung allein durch Gottes Willen geschieht, gar nicht durchs Wort oder Wasser.

Von der Kindertaufe halten wir, daß man die Kinder taufen solle; denn sie gehören auch zu der verheißenen Erlösung, durch Christum geschehen (Mt 19,14), und die Kirche soll sie ihnen reichen.

6. Vom Sakrament des Altars

halten wir, daß Brot und Wein im Abendmahl der wahrhaftige Leib und Blut Christi seien und werde nicht allein gereicht und empfangen von frommen, sondern auch von bösen Christen.

Und daß man nicht einerlei Gestalt allein geben soll. Und wir bedürfen der hohen Kunst nicht, die uns lehre, daß unter einerlei Gestalt soviel sei wie unter beiden, wie uns die Sophisten und das Konzil zu Konstanz lehren. Denn ob es gleich wahr wäre, daß unter einer soviel sei wie unter beiden, so ist doch die eine Gestalt nicht die ganze Ordnung und Einsetzung, durch Christus gestiftet und befohlen. Und besonders verdammen und verfluchen wir in Gottes Namen diejenigen, die nicht allein beide Gestalten aufgeben, sondern auch gar herrlich von daher verbieten, verdammen, als Ketzerei verlästern und sich damit gegen und über Christus, unsern Herrn und Gott setzen etc.

Von der Transsubstantiation achten wir der spitzfindigen Sophisterei gar nichts, da sie lehren, daß Brot und Wein ihr natürliches Wesen verlassen oder verlieren und allein Gestalt und Farbe des Brotes bleibe und nicht richtiges Brot; denn es reimt sich mit der Schrift aufs beste, daß Brot da sei und bleibe, wie es S. Paulus selbst nennt (1. Kor 10,16): »Das Brot, das wir brechen«, und (1 Kor 11, 28): »Also esse er von dem Brot«.

7. Von den Schlüsseln

Die Schlüssel sind ein Amt und Gewalt, der Kirche von Christus gegeben, die Sünden zu binden und zu lösen, nicht allein die groben und wohlbekannten Sünden, sondern auch die subtilen, heimlichen, die Gott allein kennt, wie geschrieben steht (Ps 19,13): »Wer kennt, wie viel er fehlet?« Und Paulus (Röm 7,23) klagt selbst, daß er mit dem Fleisch dem »Gesetz der Sünde« diene; denn es steht nicht bei uns, sondern bei Gott allein, zu urteilen, welche, wie groß und wie viel die Sünden sind, wie geschrieben steht (Ps 143,2): »Gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht, denn vor dir ist kein lebendiger Mensch gerecht«. Und Paulus sagt auch 1. Kor 4,4: »Ich bin mir wohl nichts bewußt, aber darum bin ich nicht gerecht«.

8. Von der Beichte

Weil die Absolution oder Kraft des Schlüssels auch eine Hilfe und Trost gegen die Sünde und das böse Gewissen ist, im Evangelium durch Christus gestiftet, so soll man die Beichte oder Absolution beileibe nicht abkommen lassen in der Kirche, besonders um der geängsteten Gewissen willen, und auch um des jungen, rohen Volkes willen, damit es verhört und unterrichtet werde in der christlichen Lehre.

Die Aufzählung der Sünden aber soll einem jeden frei sein, was er erzählen oder nicht erzählen will; denn solange wir im Fleisch sind, werden wir nicht lügen, wenn wir sagen: »Ich bin ein armer Mensch voller Sünde«, Röm 7,23: »Ich fühle ein anderes Gesetz in meinen Gliedern« etc.; denn weil die absolutio privata (Privat-Absolution) von dem Amt der Schlüssel herkommt, soll man sie nicht verachten, sondern hoch und wert halten wie alle anderen Ämter der christlichen Kirche.

Und in diesen Stücken, die das mündliche, äußerliche Wort betreffen, ist fest dabei zu bleiben, daß Gott niemandem seinen Geist oder Gnade gibt außer durch oder mit dem vorhergehenden äußerlichen Wort, damit wir uns bewahren vor den Enthusiasten, das ist Geistern, die sich rühmen, ohne und vor dem Wort den Geist zu haben, und danach die Schrift oder mündliches Wort richten, deuten und dehnen nach ihrem Gefallen, wie es der Münzer tat und heutigen Tages noch viele tun, die zwischen dem Geist und Buchstaben scharfe Richter sein wollen und wissen nicht, was sie sagen oder setzen. Denn das Papsttum ist auch eitel Enthusiasmus, worin der Papst rühmt: »Alle Rechte sind im Schrein seines Herzens«; und was er mit seiner Kirche urteilt und heißt, das soll Geist und Recht sein, wenn es gleich über und gegen die Schrift oder mündliches Wort ist. Das ist alles der alte Teufel und die alte Schlange, die Adam und Eva auch zu Enthusiasten machte, vom äußerlichen Wort Gottes auf Geisterei und Eigendünkel führte und es doch auch durch andere äußerliche Worte tat, gleichwie auch unsere Enthusiasten das äußerliche Wort verdammen, und doch sie selbst nicht schweigen, sondern die Welt vollplaudern und schreiben, gerade als könnte der Geist nicht durch die Schrift oder das mündliche Wort der Apostel kommen. Aber durch ihre Schrift und Worte mußte er kommen. Warum lassen sie auch ihre Predigt und Schrift nicht anstehen, bis der Geist selber in die Leute ohne und vor ihrer Schrift kommt, wie sie rühmen, daß er in sie gekommen sei ohne Predigt der Schrift? Davon ist hier nicht weiter Zeit zu disputieren; wir haben es sonst genug besprochen.

Denn auch die, die vor der Taufe glauben oder in der Taufe gläubig werden, haben es durch das äußerliche, vorgehende Wort, wie die Alten, die zur Vernunft gekommen sind, vorher gehört haben müssen, daß: »Wer da glaubet und getauft wird, der ist selig« (Mk 16,16), ob sie gleich, erst ungläubig, nach zehn Jahren den Geist und die Taufe kriegen. Und Cornelius Apg 10 hatte lange zuvor bei den Juden vom zukünftigen Messias gehört, wodurch er gerecht vor Gott war und sein Gebet und Almosen angenehm waren in solchem Glauben, wie Lukas ihn »gerecht und gottesfürchtig« nennt (Apg 10,2.22), und nicht ohne solch ein vorhergehendes Wort oder Gehörtes glauben noch gerecht sein konnte. Aber S. Petrus mußte ihm offenbaren, daß der Messias, an welchen als zukünftigen er bis dahin geglaubt hatte, nun gekommen wäre und sein Glaube vom zukünftigen Messias ihn nicht bei den verstockten, ungläubigen Juden gefangen hielte, sondern er wüßte, daß er nun durch den gegenwärtigen Messias selig werden müsse und denselben nicht mit den Juden verleugne noch verfolge etc.

Summa: Der Enthusiasmus steckt in Adam und seinen Kindern von Anfang bis zum Ende der Welt, von dem alten Drachen in sie gestiftet und gegiftet, und ist aller Ketzerei, auch des Papsttums und Mohammeds Ursprung, Kraft und Macht. Darum sollen und müssen wir darauf beharren, daß Gott nicht mit uns Menschen handeln will als durch sein äußerliches Wort und Sakrament. Alles aber, was ohne solch Wort und Sakrament vom Geist gerühmt wird, das ist der Teufel; denn Gott wollte auch Mose zuerst durch den feurigen Busch und mündliches Wort erscheinen. Und kein Prophet, weder Elia noch Elisa, haben außerhalb oder ohne die Zehn Gebote den Geist gekriegt. Und Johannes der Täufer wurde nicht ohne Gabriels vorhergehendes Wort empfangen (Lk 1,13f), noch sprang er ohne Marias Stimme in seiner Mutter Leibe (Lk 1,41). Und S. Petrus spricht (2. Petr 1,21): Die Propheten haben nicht »aus menschlichem Willen«, sondern aus dem »Heiligen Geist« geweissagt, doch als die »heiligen Menschen Gottes«. Aber ohne äußerliches Wort waren sie nicht heilig, viel weniger hatte der Heilige Geist sie als noch Unheilige zu reden getrieben; denn sie waren heilig, spricht er, da der Heilige Geist durch sie redet.

9. Vom Bann

Den großen Bann, wie es der Papst nennt, halten wir für eine rein weltliche Strafe, und er geht uns Kirchendiener nichts an. Aber der kleine, das ist der rechte christliche Bann, ist, daß man offenbare, halsstarrige Sünder nicht zum Sakrament oder anderer Gemeinschaft der Kirche kommen lassen soll, bis sie sich bessern und die Sünde meiden. Und die Prediger sollen in diese geistliche Strafe oder Bann nicht die weltliche Strafe mengen.

10. Von der Weihe und Vokation

Wenn die Bischöfe rechte Bischöfe sein und sich der Kirche und des Evangeliums annehmen wollten, so möchte man um der Liebe und Einigkeit willen, jedoch nicht aus Notwendigkeit, das gegeben sein lassen, daß sie uns und unsere Prediger ordinierten und bestätigten, doch ohne alle Larven und Gespenster unchristlichen Wesens und Gepränges. Da sie nun aber nicht rechte Bischöfe sind oder auch nicht sein wollen, sondern weltliche Herren und Fürsten, die weder predigen noch lehren noch taufen noch kommunizieren noch irgendein Werk oder Amt der Kirche verrichten wollen, dazu diejenigen, die ein solches Amt berufenermaßen verrichten, verfolgen und verdammen, so muß dennoch um ihretwillen die Kirche nicht ohne Diener bleiben.

Darum wie die alten Exempel der Kirche und Väter uns lehren, wollen und sollen wir selbst tüchtige Personen zu solchem Amt ordinieren. Und das haben sie uns nicht zu verbieten noch zu wehren, auch nach ihrem eigenen Recht; denn ihre Rechte sagen, daß auch diejenigen, die von Ketzern ordiniert sind, ordiniert heißen und bleiben sollen. Wie S. Hieronymus schreibt von der Kirche zu Alexandria, daß sie zuerst ohne Bischöfe durch die Priester und Prediger insgemein regiert worden ist.

11. Von der Priesterehe

Daß sie die Ehe verboten und den göttlichen Stand der Priester mit ewiger Keuschheit beschwert haben, dazu haben sie weder Fug noch Recht gehabt, sondern haben gehandelt wie die antichristlichen, tyrannischen, üblen Taugenichtse und damit Ursache gegeben zu allerlei schrecklichen, greulichen, unzähligen Sünden der Unkeuschheit, worin sie denn noch stecken. So wenig nun uns oder ihnen Macht gegeben ist, aus einem Männlein ein Fräulein oder aus einem Fräulein ein Männlein zu machen oder beides aufzuheben, so wenig haben sie auch Macht gehabt, solche Kreatur Gottes zu scheiden oder zu verbieten, daß sie nicht ehrlich und ehelich beieinander wohnen sollten. Darum wollen wir in ihren leidigen Zölibat nicht willigen, ihn auch nicht leiden, sondern die Ehe frei haben, wie sie Gott geordnet und gestiftet hat, und wollen sein Werk nicht zerreißen noch hindern. Denn S. Paulus sagt (1. Tim 4,1), es sei »eine teuflische Lehre«.

12. Von der Kirche

Wir gestehen ihnen nicht zu, daß sie die Kirche seien, und sie sind es auch nicht, und wir wollen auch nicht hören, was sie im Namen der Kirche gebieten oder verbieten; denn es weiß gottlob ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche sei, nämlich die heiligen Gläubigen und »die Schäflein, die ihres Hirten Stimme hören« (Joh 10,3); denn also beten die Kinder: »Ich glaube an eine heilige christliche Kirche.« Diese Heiligkeit besteht nicht in Chorhemden, Platten, langen Röcken und anderen ihrer Zeremonien, durch sie über die heilige Schrift hinaus erdichtet, sondern im Wort Gottes und im rechten Glauben.

13. Wie man vor Gott gerecht wird, und von guten Werken

Was ich davon bisher und stets gelehrt habe, das weiß ich gar nicht zu ändern, nämlich daß wir »durch den Glauben«, wie S. Petrus sagt (Apg 15,9), ein anderes, neues, reines Herz kriegen und Gott uns um Christi, unseres Mittlers, willen für ganz gerecht und heilig halten will und hält. Obwohl die Sünde im Fleisch noch nicht ganz weg oder tot ist, so will er sie doch nicht anrechnen noch wissen.

Und auf solchen Glauben, Erneuerung und Vergebung der Sünde folgen dann gute Werke; und was an denselben auch noch sündlich oder Mangel ist, soll nicht als Sünde oder Mangel gerechnet werden, eben um desselben Christi willen, sondern der Mensch soll ganz, beides, nach der Person und seinen Werken, gerecht und heilig heißen und sein aus lauter Gnade und Barmherzigkeit, in Christus über uns ausgeschüttet und ausgebreitet. Darum können wir nicht viel Verdienst unserer Werke rühmen, wo sie ohne Gnade und Barmherzigkeit angesehen werden, sondern, wie geschrieben steht (1. Kor 1,31): »Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn,« das heißt, daß er einen gnädigen Gott hat. So ist alles gut. Weiter sagen wir auch, daß, wo gute Werke nicht folgen, da ist der Glaube falsch und nicht recht.

14. Von den Klostergelübden

Weil die Klostergelübde stracks gegen den ersten Hauptartikel streiten, so sollen sie schlechthin abgetan sein; denn sie sind es, wovon Christus sagt Mt 24,5 „Ich bin Christus“ etc; denn wer da ein Klosterleben gelobt, der glaubt, daß er ein besseres Leben führe als der gemeine Christenmann, und will durch seine Werke nicht allein sich selber, sondern auch anderen zum Himmel helfen. Das heißt Christus verleugnen etc. Und sie rühmen aus ihrem S. Thomas, daß das Klostergelübde der Taufe gleich sei.

15. Von Menschensatzungen

Daß die Papisten sagen, Menschensatzungen dienen zur Vergebung der Sünden oder verdienen die Seligkeit, das ist unchristlich und verdammt, wie Christus spricht (Mt 15,9): »Vergeblich dienen sie mir, weil sie solche Lehren lehren, die nichts sind als Menschengebot«. Ebenso Titus 1,14: „Die sich von der Wahrheit abwenden.“ Ebenso, daß sie sagen, es sei Todsünde, solche Satzungen zu brechen, ist auch nicht recht.

Dies sind die Artikel, worauf ich stehen muß und stehen will bis in meinen Tod, wenn Gott will, und ich weiß darin nichts zu ändern noch nachzugeben. Will aber jemand etwas nachgeben, das tue er auf sein Gewissen.

Zuletzt ist noch der Gaukelsack des Papstes übrig von närrischen und kindischen Artikeln wie von Kirchweihe, von Glocken taufen, Altarstein taufen und Gevattern dazu bitten, die dazu Geschenke geben etc. Solches Taufen ist ein Spott und Hohn der heiligen Taufe, so daß man es nicht leiden soll. Danach von Lichter weihen, Palmen, Gewürze, Hafer, Fladen weihen etc., was doch nicht geweiht heißen noch sein kann, sondern eitel Spott und Betrug ist.

Und es ist unzählig viel des Gaukelwerks, welches wir ihrem Gott anbefehlen, und ihnen selbst, anzubeten, bis sie es müde werden. Wir wollen damit unverworren sein.

Es folgen 43 Unterschriften.

Melanchthon macht dabei folgenden Vorbehalt:

»Ich, Philippus Melanchthon, halte diese oben aufgestellten Artikel auch für recht und christlich; vom Papst aber halte ich, falls er das Evangelium zulassen wollte, daß ihm um des Friedens und gemeinsamer Einigkeit willen mit denjenigen Christen, die auch unter ihm sind und künftig sein möchten, seine Superiorität über die Bischöfe, die er iure humano hat, auch von uns zuzulassen sei.«