Markus 1 - hartmut-geisler.de

Sie sind hier: Startseite » Markus-Evangelium » Markus 1

Markus 1,1-8: Der Herold des Herrn

1 Ἀρχὴ τοῦ εὐαγγελίου Ἰησοῦ Χριστοῦ [υἱοῦ θεοῦ].
2 Καθὼς γέγραπται ἐν τῷ Ἠσαΐᾳ τῷ προφήτῃ, Ἰδοὺ ἀποστέλλω τὸν ἄγγελόν μου πρὸ προσώπου σου, ὃς κατασκευάσει τὴν ὁδόν σου:
3 φωνὴ βοῶντος ἐν τῇ ἐρήμῳ, Ἑτοιμάσατε τὴν ὁδὸν κυρίου, εὐθείας ποιεῖτε τὰς τρίβους αὐτοῦ.
4 ἐγένετο Ἰωάννης [ὁ] βαπτίζων ἐν τῇ ἐρήμῳ καὶ κηρύσσων βάπτισμα μετανοίας εἰς ἄφεσιν ἁμαρτιῶν.
5 καὶ ἐξεπορεύετο πρὸς αὐτὸν πᾶσα ἡ Ἰουδαία χώρα καὶ οἱ Ἱεροσολυμῖται πάντες, καὶ ἐβαπτίζοντο ὑπ' αὐτοῦ ἐν τῷ Ἰορδάνῃ ποταμῷ ἐξομολογούμενοι τὰς ἁμαρτίας αὐτῶν.
6 καὶ ἦν ὁ Ἰωάννης ἐνδεδυμένος τρίχας καμήλου καὶ ζώνην δερματίνην περὶ τὴν ὀσφὺν αὐτοῦ, καὶ ἐσθίων ἀκρίδας καὶ μέλι ἄγριον.
7 καὶ ἐκήρυσσεν λέγων, Ἔρχεται ὁ ἰσχυρότερός μου ὀπίσω μου, οὗ οὐκ εἰμὶ ἱκανὸς κύψας λῦσαι τὸν ἱμάντα τῶν ὑποδημάτων αὐτοῦ:
8 ἐγὼ ἐβάπτισα ὑμᾶς ὕδατι, αὐτὸς δὲ βαπτίσει ὑμᾶς ἐν πνεύματι ἁγίῳ.


Übersetzung

1 Beginn der guten Botschaft von Jesus, dem Messias, dem Sohn Gottes.
2 Wie geschrieben steht in Jesajas, dem Propheten:

Siehe, ich sende meinen Boten vor deinem Angesicht her,
der deinen Weg bereiten wird.
3 Stimme eines Rufenden in der Wüste:
Bereitet den Weg des Herrn,
machet gerade seine Pfade.
4 Johannes der Taufende kam in die Wüste und verkündete die Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden.
5 Und es gingen zu ihm hinaus das ganze judäische Land und alle Jerusalemer, und sie ließen sich von ihm im Jordanfluß taufen, (dabei) ihre Sünden bekennend.
6 Und Johannes war bekleidet mit (einem Gewand) aus Kamelhaaren und einem ledernen Gürtel um seine Hüfte, und er aß Heuschrecken und wilden Honig.
7 Und er verkündete und sagte: Es kommt (einer) der stärker ist als ich nach mir, dem ich nicht tauglich (wert) bin (mich) bückend den Riemen seiner Sandalen zu lösen.
8 Ich habe euch getauft mit Wasser, er aber wird euch taufen mit Heiligem Geist.


Anmerkungen zur Übersetzung

γέγραπται in der Schrift steht, ist ein terminus technicus zur Einführung von Schriftzitaten, wobei hinzu zu denken ist: letzlich geschrieben von Gott und von daher gültig, mit höchster Autorität versehen.

τρίβος wird von Adolf Pohl nicht mit Pfad, sondern Straße übersetzt, da dieses Wort einen vielbetreten Weg und oft eine Heerstraße bezeichnet. Ich bleibe bei der herkömmlichen Übersetzung Pfad, da dieses Wort üblicherweise einen ausgetretenen, vielbegangenen und bequemen Fußsteig bzw. Weg meint; einen Trampelpfad. Spr 16,17; Jes 40,3; Mt 3,3; Mk 1,3; Lk 3,4

μετάνοια meint zwar wörtlich die Sinnesänderung, ist hier aberaufgrund des alttestamentlichen Hintergrundes mit Umkehr, Bekehrung, Abkehr zu übersetzen.  βάπτισμα μετανοίας dementsprechend: Taufe der Umkehr, wobei wohl Taufe als Zeichen der Umkehr gemeint ist, wie NSS  meint.

ἐβαπτίζοντο toleratives Passiv - sie ließen sich taufen

ἐγὼ ... αὐτὸς δὲ betontes Personalpronomen: Ich ... Er aber


Anmerkungen zum Text

1,1 Beginn der guten Botschaft von Jesus, dem Messias, dem Sohn Gottes.

Hier wird Antwort gegeben auf die Frage, wie und wann die gute Botschaft begonnen hat - und es wird berichtet, dass mit Johannes dem Täufer ein neues geschichtliches Handeln Gottes begonnen hat, indem dieser als Vorläufer und Herold des Messias Jesus auftrat, genau so wie es von Gott her durch die Propheten verheißen worden war.

Gute Botschaft, freudige Botschaft, Heilsbotschaft ist hier in bezug zu setzen auf den Inhalt, nämlich der guten Botschaft vom Königreich Gottes und vom Heil in und durch Jesus Christus, wie aus dem gesamten Buch hervorgehen wird.
Es ist das Evangelium, das Jesus verkündet hat und gleichsam das Evangelium über diesen Jesus, der der Christus und Sohn Gottes ist.
Den Adressaten war der Bedeutungsgehalt des Wortes Evangelium vertraut:

"Evangelium. Das griechische Wort euangélion bezeichnet die "Freudenbotschaft", vor allem die von einem erfochtenen Sieg. Beim Kaiser, der wie ein Gott verehrt wird, spielen die "Freudenbotschaften" von seiner Geburt, seiner Thronbesteigung usw. eine wichtige Rolle."
Schweizer, 11

"Vgl. die Inschrift von Priene aus dem Jahre 9 vChr, die den Geburtstag des Augustus feiert: "Dieser Tag hat der Welt einen anderen Anblick gegeben, sie wäre dem Untergang verfallen, hätte nicht in dem nun Geborenen für alle Menschen ein gemeinsames Glück sich gezeigt. Richtig urteilt, wer in diesem Geburtsfest den Anfang des Lebens und aller Lebenskräfte für sich erkennt; endlich ist die Zeit vorüber, da man es bereuen mußte, geboren zu sein. Die Vorsehung hat diesen Mann mit solchen Gaben erfüllt, daß sie ihn uns und den kommenden Geschlechtern als Soter [Σωτήρ - Retter, Heiland] gesandt hat; Fehde wird er beenden, alles herrlich ausgestalten. Der Geburtstag des Gottes hat für die Welt , die mit ihm verbundene Evangelia heraufgeführt, von seiner Geburt beginnt eine neue Zeitrechnung." (Inschrift Priene 105,40; Übers. von EBloch in: Das Prinzip Hoffnung, V. 1484) Die Proklamation dieses Evangeliums kündet nicht nur eine neue Weltzeit an, sondern bringt sie und setzt sie in Kraft. So ist die Proklamation selbst schon Evangelium, da mit ihr das durch sie proklamierte Heil gegenwärtig wird."
ThBL, 296

Evangelium war also kein unbekanntes Wort zu dieser Zeit - und auch das AT beinhaltet ja Texte über freudige Botschaften, Freudenboten usw., die von JHWH (Jahwe) her ergehen bzw. gesandt werden.
Alle Worte des Markus-Evangeliums, auch die Texte, die vom Gericht Gottes handeln und sehr ernste Worte zu verkünden haben, stehen unter dem Vorzeichen Evangelium und wollen als solches gelesen, gehört und bedacht werden.

Jesus ist die griechische Form des hebr. Josua, Jeschua und bedeutet "Jahwe ist Retter" und wird im Matthäus-Evangelium als Emmanuel gedeutet: Gott ist mit uns.

Messias, Christos, Gesalbter verstehe ich hier als Titel im Sinne von: Messiaskönig, obgleich man durchaus der Meinung sein kann, dass Christus von Markus bereits als eine Art Eigenname gebraucht wurde.

Biblisch gesehen wurden Menschen zu einem Dienst gesalbt und mit dieser Salbung war die Begabung mit dem Heiligen Geist verbunden. Unter anderem bezeichnete man Israels Könige als "Gesalbte des Herrn" und  Hohepriester als "gesalbte Priester".

Aufgrund alttestamentlicher Verheißungen erwartete man vornehmlich einen "glorreichen" König Israels, einen Gesalbten des Herrn, der ein Sohn Davids sein und das Reich Gottes aufrichten und Israel von der Fremdherrschaft befreien würde.

Dass Jesus der Messias, der Christus sei, wird von Anfang an betont, mehr noch: er wird, wenn auch nur von einigen alten, aber wichtigen Handschriften - wie die Klammer im griechischen Nestle/Aland zeigt -, bereits hier als "Sohn Gottes" bezeichnet; d.h. der Messias ist nicht nur der Gesalbte, sondern auch der Sohn Gottes.
Für die Urspünglichkeit von "Sohn Gottes" treten Schlatter, Grundmann, Maier und Bayer ein, Schweizer meint, es sei ein späterer Nachtrag; Pohl geht darauf erst gar nicht ein und läßt es in seiner Übersetzung aus.

Mit diesen wenigen Worten hat Markus nicht nur das Thema seines Buches genannt, sondern auch zum Ausdruck gebracht, dass mit diesem Jesus ein neues geschichtliches Handeln Gottes begonnen hat.
Wir haben genau hinzuhören, wie dieses im weiteren Verlauf entfaltet, inhaltlich gefüllt wird.

Wir werden uns überall zu fragen haben:

  • Was ist an dieser Aussage freudige, gute Botschaft?
  • Inwiefern zeigt sich dieser Jesus als Messias, als Heilsbringer?
  • Und was soll das bedeuten, er sei der Sohn Gottes?


1,2-3 Wie geschrieben steht in Jesajas, dem Propheten: Siehe, ich sende meinen Boten vor deinem Angesicht her, der deinen Weg bereiten wird. Stimme eines Rufenden in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade seine Pfade.

Der Terminus "Wie geschrieben steht" leitet ein Zitat aus der Schrift ein, dem Alten Testament, die als autoritatives Wort Gottes gilt.
Καθὼς γέγραπται - mit dieser Formel unterstreicht das NT vielfach die "Übereinstimmung des ntl. Geschehens und seiner Verkündigung mit dem in der atl. Schrift enthaltenen Wort Gottes." (W. Radl, in: EWNT III, 557), und Schlatter sieht in Καθὼς γέγραπται ἐν τῷ προφήτῃ ebenfalls eine "völlig feststehende palästinische Formel" (11).

Dass die Schrift tatsächlich autoritatives Wort Gottes ist, können wir hier als Behauptung so stehen lassen und verweisen auf apologetische und dogmatische Versuche, diese Aussage zu rechtfertigen.
Ich verweise nur auf die Bücher von Heinzpeter Hempelmann, Peter Knauer, Wilfried Joest und Josh McDowell. (Sie alle setzen sich mit dem Kritischen Rationalismus, Hempelmann auch mit den postmodernen Ansichten auseinander.)
Ich denke aber, dass wir trotz all solcher mehr oder minder guten Versuche mit Calvin zu dem Schluss kommen werden:

(es ist) "Torheit, wenn man meint, der Schrift auf dem Wege des Disputierens ihre Glaubwürdigkeit sichern zu können. (...) das Zeugnis des Geistes ist besser als alle Beweise. Denn wie Gott selbst in seinem Wort der einzige vollgültige Zeuge von sich selber ist, so wird auch dies Wort nicht eher im Menschenherzen Glauben finden, als bis es vom inneren Zeugnis des Heiligen Geistes versiegelt worden ist. Denn derselbe Geist, der durch den Mund der Propheten gesprochen hat, der muß in unser Herz dringen, um uns die Gewißheit zu schenken, daß sie treulich verkündet haben, was ihnen von Gott aufgetragen war. (...) Wer innerlich vom Heiligen Geist gelehrt ist, der verharrt fest bei der Schrift, und diese trägt ihre Beglaubigung in sich selbst; daher ist es nicht angebracht, sie einer Beweisführung und Vernunftgründen zu unterwerfen. (...) Daß die Schrift von Gott kommt, das glauben wir, weil die Kraft des Geistes uns erleuchtet, nicht aber auf Grund des eigenen Urteils oder desjenigen anderer Leute."
Institutio I, 7.4f.

[und nachdem er einige hinreichend sichere Beweise aufgeführt hat, - die es ja durchaus gibt! -, schreibt er weiter]

"Aber all diese Gründe vermögen doch nicht aus sich, der Schrift festen Glauben zu erwirken, ehe nicht der himmlische Vater selbst durch eine Offenbarung seiner Macht und Gottheit in ihr allem Streit ein Ende setzt. Deshalb wird die Schrift erst dann wirklich zu heilsamer Erkenntnis Gottes genügen, wenn die an ihr entstehende Gewißheit im inneren Zeugnis des Heiligen Geistes begründet ist. All die menschlichen Zeugnisse, die zur Bekräftigung ihrer Wahrheit dienen können, werden dann nicht wirkungslos sein, wenn sie jener wichtigsten und höchsten Begründung sozusagen als Hilfsstützen für unsere Schwachheit nachfolgen. Töricht handelt aber, wer den Ungläubigen beweisen will, die Schrift sei Gottes Wort. Denn das kann ohne den Glauben nicht erkannt werden."
Institutio I, 8.13 [meine Hervorhebung]

In der Schrift steht beim Propheten Jesaja...
Schlagen wir nach, so finden wir ein Mischzitat von Maleachi 3,1, Jesaja 40,3 (LXX) und mit hoher Wahrscheinlichkeit (man vergleiche den Wortlaut der LXX) auch 2 Moses/Exodus 23,20:

  • Maleachi 3,1: Siehe, ich sende meinen Boten, daß er den Weg bahne vor mir her.
  • Jesaja 40,3 LXX: φωνὴ βοῶντος ἐν τῇ ἐρήμῳ ῾Ετοιμάσατε τὴν ὁδὸν κυρίου, εὐθείας ποιεῖτε τὰς τρίβους τοῦ θεοῦ ἡμῶν (Übersetzung Alte Elberfelder 1871: Stimme eines Rufenden: In der Wüste bahnet den Weg Jehovas [JHWH); ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott!
  • 2Mo 23,20 LXX: Καὶ ἰδοὺ ἐγὼ ἀποστέλλω τὸν ἄγγελόν μου πρὸ προσώπου σου (Siehe, ich sende einen Engel [Boten] vor dir her

Dass Markus nur Jesaja nennt, war ein durchaus übliches Verfahren, wenn jemand mehrere Textstellen zitierte, die ein und dasselbe Thema behandelten. Bayer (111) hält es für "durchaus möglich, dass bereits z.Z. des Täufers eine konkordante Zusammenstellung von Texten zum Stichwort Wegbereiter" vorgelegen hat.
Es wäre auch möglich, dass insbesondere Jesaja deshalb genannt wird, weil nur bei ihm von einer Stimme in der Wüste die Rede ist, was im folgenden besonders wichtig wird.

In allen drei Zitaten ist JHWH (Jahwe) = κύριος der Sprechende bzw. Sendende, der durch einen Boten verkünden läßt, dass dem Herrn  der Weg zubereitet werden soll.
Markus identifiziert damit diesen Jesus nicht nur als den erwarteten Messias sondern wie im Vers 1 auch als κύριος, als den Herrn, als Gott.


1,4 Johannes der Taufende kam in die Wüste und verkündete die Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden.

Dass die Übersetzung dieses Verses einige Probleme aufwirft, läßt sich daran erkennen, dass NSS mehrere Übersetzungsvorschläge anführt:

 so trat Johannes auf, (nämlich) der, der in der Wüste taufte und (dabei) eine Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden verkündete
od. viell. so trat Johannes der Täufer in der Wüste auf, indem er eine Taufe … verkündete (vgl. Menge)
od. (verständlicher) so trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und forderte die Menschen auf, umzukehren und sich taufen zu lassen, um Vergebung der Sünden zu empfangen (vgl. NGÜ)
[Var. ohne Art.: so trat Johannes auf, indem er … taufte und eine Taufe … verkündete, evtl. so fing Johannes an, in der Wüste zu taufen, indem er eine Taufe … verkündete].

Johannes (= Jahwe ist gnädig) trat in der Wüste auf, d.h. in der Einöde, in einer einsamen und unkultivierten Region am Jordan - und das Charakteristische an ihm war, dass er taufte und predigte: beides sind im Griechischen Präsenspartizipien und "das Partizip Präsens drückt oft Gleichzeitigkeit der Handlung aus. Meist dient es jedoch der näheren Beschreibung  und zeigt die Art und Weise, in der etwas geschieht (modaler Gebrauch). Wie trat Johannes auf? Predigend [taufend]." (Briem 1, vgl. HvS § 231e)

Wie charakteristisch insbesondere das Taufen für Johannes war, das sehen wir an den Stellen Mt 3,1; 11,11.12; 14,2.8; 16,14;17,13; Mk 6,25; 8,28; und Lk 9,19; 7,20.33, wo er immer den Beinamen trägt Ὁ βαπτιστὴς, der Täufer.

Schauen wir näher zu, warum das so ist, dass selbst der jüdische Historiker Flavius Josephus in Antiquitates Iudaicae ihn so bezeichnet:

„Einige Juden aber meinten, daß der Untergang von Herodes’ Heer eine gerechte Strafe Gottes zur Vergeltung für (sein Vergehen an) Johannes mit dem Beinamen Täufer war. Diesen hat Herodes nämlich umgebracht, obwohl er ein guter Mann war und die Juden zu einem tugendhaften Leben ermahnt hatte, nämlich Rechtschaffenheit untereinander zu praktizieren und Frömmigkeit gegenüber Gott, und sich so der Taufe zu unterziehen. Die Taufe werde sich als Gott wohlgefällig erweisen nicht als Vergebung begangener Sünden, sondern zur Heiligung des Leibes, da die Seele ja durch Gerechtigkeit schon zuvor gereinigt worden sei. Und als sich die Menschen (um ihn) versammelten, weil sie nämlich an seiner Rede allergrößten Gefallen fanden, fürchtete Herodes, er könnte durch seine derart große Überzeugungskraft auf die Menschen einen Aufstand entfachen, schienen sie doch bei allem, was sie taten, seinem Rat zu folgen, und hielt es für besser, ihm, bevor er einen Aufruhr verursachte, zuvorzukommen und ihn zu töten, als in Schwierigkeiten zu geraten und etwas bereuen zu müssen, was nicht mehr zu ändern war. Auf diesen Verdacht des Herodes hin wurde er in Fesseln in die schon erwähnte Festung Machairus gebracht und dort hingerichtet. Nach Meinung der Juden aber war der Untergang seines Heeres die Vergeltung für Johannes, weil Gott ihn dafür strafen wollte.“

Fragen wir, wo, in welcher Art und Weise und zu welchem Zweck die Umkehr-Taufe des Johannes vorgenommen wurde, dann sehen wir den Unterschied zu sonstigen rituellen Tauchbädern und Waschungen wie wir sie allenthalben in den verschiedensten Religionen finden.

Fast jeder kennt heutzutage den Brauch der Hindus, im Ganges zu baden um sich von Sünden zu reinigen. Oder den Brauch der Muslime, vor dem Gebet durch eine Waschung (wudhu) rituelle Reinheit herzustellen.

Im Judentum zur Zeit Jesu war die Taufe ebenfalls nichts Ungewöhnliches. Adolf Schlatter schreibt in seinem Matthäus-Kommentar:

"Nicht die Taufe war das Neue; sie gehörte vielmehr zum frommen Betrieb, den jede religiöse Gruppe mit verstärktem Eifer bei sich ausbildete. Der Pharisäer tauft sich häufiger als die anderen, der Essäer häufiger als der Pharisäer und der Hemerobaptist legt auf die Taufe noch mehr Gewicht als der Essäer, da der Essäer mit der Taufe bis zur Stunde des Mahles wartete, der Hemerobaptist dagegen sich gleich nach dem Erwachen taufte, da ihn der Leib verunreinigte und er nicht beten konnte, bis er sich getauft hatte."
Schlatter, Der Evangelist Matthäus, S. 54

Was war also das besondere an der Taufe, die Johannes übte?

"Alle diese Gruppen brauchten aber keinen Täufer; denn jeder taufte sich selbst. Denn für sie trat die religiöse Wirkung des Bades unmittelbar damit ein, daß der Leib in das Wasser getaucht wurde."
Schlatter, ebenda

Das gilt auch inbezug auf die Proselytentaufe: Wer zum jüdischen Glauben konvertierte, mußte  - weil er als Nichtjude als kultisch unrein galt  - beim Übertritt ein Tauchbad in Gegenwart von zwei Zeugen vollziehen und wurde danach wie ein "Neugeborener" angesehen. Männliche Proselyten mußten sich natürlich auch beschneiden lassen.

Der erste wesentliche Punkt zum Verständnis der Taufe des Johannes besteht darin: er tauft sich nicht selbst, sondern andere.
Damit kommt zum Ausdruck, dass niemand sich selber reinigen kann. Egal welcher jüdischen Partei jemand angehört und welche rituellen Waschungen und Tauchbäder auch immer jemand an sich vollzieht, es wird ihm als göttliche Botschaft gesagt, dass er der Reinigung durch einen anderen, durch einen von Gott Gesandten bedarf und außer Stande ist, sich selbst zu reinigen.

Johannes der Taufende kam in die Wüste...

Gemeint ist wahrscheinlich das untere Jordantal. Dieser Ort hat für Johannes symbolische Bedeutung: Die Wüstenzeit ist Israels reine Urzeit, die Zeit des Mose, des Bundesschlusses, der Gesetzgebung.
In die Wüste zog deshalb auch die Qumrangemeinde, denn dort sollte sich Israels eschatologisches Heil ereignen (vgl. Hos 2,14ff.).
Diese von Johannes also bewußt gewählte Symbolik wird offenbar noch unterstrichen durch die Angaben über Speise und Kleidung des Täufers. [...] Die Angabe in Mk 1,6 über Tracht und Speise des Täufers soll ihn einfach als Wüstenbewohner kennzeichnen und damit die Wüstensymbolik unterstreichen.
Conzelmann/Lindemann, S. 370

Entgegen Conzelmann/Lindemann bin ich der Ansicht, dass mit der Tracht und Speise des Johannes aufgrund Mk 9,13 durchaus ein Hinweis auf Elia gegeben ist, Elia, dessen Wiederkunft man als Gerichtsbote Gottes und Ankündiger der letzten Gnadenzeit erwartete.

Er predigte in der Wüste, abseits der heiligen Stadt, abseits des Tempels und forderte alle, auch die Priester, Schriftgelehrten und Pharisäer dazu auf, aus der heiligen Stadt herauszugehen, sich taufen zu lassen, um sich auf das nun nahe gekommene Heil Gottes zu bereiten.

Er mutete allen zu, zuzugeben, dass sie der Umkehr bedürfen, weil sie auf verkehrten Wegen wandelten, Wege, die nicht hin zu Gott, sondern fort von ihm führten.
Jeder sollte durch ihn zu hören bekommen, dass er in den Augen Gottes Sünder sei und sich diesem Urteil Gottes unterwerfen und den nun von Gott gewiesenen Weg einschlagen soll: sich bekehren und als Zeichen der Bekehrung die Taufe durch Johannes empfangen.

Die Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden.

Top



Benutzte Literatur

  • Bauer = Bauer/Aland, Wörterbuch zum Neuen Testament, 8. Auflage
  • Bayer = Hans F. Bayer, Das Evangelium des Markus, Historisch-Theologische Auslegung
  • Briem 1 = Christian Briem, Das Neue Testament mit sprachlichen Erklärungen nach dem Grundtext, Evangelien - Apostelgeschichte
  • Briem 2 = Christian Briem, Das Neue Testament mit sprachlichen Erklärungen nach dem Grundtext, Römerbrief - Offenbarung
  • Briem 3 = Christian Briem, Grammatik zum Neuen Testament
  • Briem 4 = Christian Briem, Wörterbuch mit Konkordanzteil zum Neuen Testament
  • Conzelmann/Lindemann = Hans Conzelmann, Andreas Lindemann, Arbeitsbuch zum Neuen Testament
  • Grundmann = Walter Grundmann, Das Evangelium nach Markus, Theologischer Handkommentar
  • HvS = Ernst G. Hoffmann/Heinrich von Siebenthal, Griechische Grammatik zum Neuen Testament, 2. Auflage, 1990
  • Institutio = Johannes Calvin, Unterricht in der christlichen Religon, Übersetzung Otto Weber
  • Maier = Gerhard Maier, Markus-Evangelium, Edition C
  • NSS = Wilfrid Haubeck und Heinrich von Siebenthal, Neuer sprachlicher Schlüssel zum griechischen Neuen Testament
  • Pohl = Adolf Pohl, Das Evangelium des Markus, Wuppertaler Studienbibel
  • Schlatter = Adolf Schlatter, Markus - Der Evangelist für die Griechen
  • Schweizer = Eduard Schweizer, Das Evangelium nach Markus, NTD
  • SB = Studienbibeln: Genfer, Mac Arthur, Ryrie, Jerusalemer
  • ThBL = Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament, Sonderausgabe in einem Band, 1993