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Bekenntnis der Artikel des Glaubens wider die Feinde des Evangeliums und allerlei Ketzereien (1528)

(Dieses Bekenntnis [ - das ich mir voll und ganz zu eigen mache! -  H.G.]hat Luther angehängt an seine große Streitschrift gegen Zwingli von 1528 "Vom Abendmahl Christi".
Es ist die Grundlage der von Kursachsen ausgehenden Bekenntnisbildung der nächsten Jahre und somit auch der Confessio Augustana geworden.)
Emmanuel Hirsch, Hilfsbuch zum Studium der Dogmatik


Weil ich sehe, daß des Rottens und Irrens je länger je mehr wird und des Tobens und Wütens des Satans kein Aufhören ist: damit nicht hinfort, bei meinem Leben oder nach meinem Tode, deren etliche sich zukünftig auf mich berufen und meine Schriften, ihren Irrtum zu stärken, fälschlich anführen möchten (wie die Sakraments- und Taufschwärmer zu tun anfingen), so will ich mit dieser Schrift vor Gott und aller Welt meinen Glauben Stück für Stück bekennen, darauf ich zu bleiben gedenke bis in den Tod, darinnen (wozu mir Gott helfe) von dieser Welt zu scheiden und vor unsers Herrn Jesu Christi Richterstuhl zu kommen. Und ob jemand nach meinem Tode sagen würde: wo der Luther jetzt lebte, würde er diesen oder jenen Artikel anders lehren und halten, denn er hat ihn nicht genugsam bedacht usw., dawider sage ich für jetzt und immer, daß ich alle diese Artikel aus Gottes Gnade aufs fleißigste bedacht, oftmals an der Schrift überprüft und immer wieder die Schrift durchforscht habe, und dieselben so gewiß verfechten wollte, wie ich jetzt das Sakrament des Altars verfochten habe. Ich bin jetzt nicht trunken und unbedacht. Ich weiß, was ich rede, fühle auch wohl, was mirs auf des Herrn Jesu Christi Wiederkunft am Jüngsten Gericht gilt. Darum soll mir niemand Scherz oder Narrenspiel daraus machen. Es ist mir ernst, denn ich kenne den Satan aus Gottes Gnade: zum großen Teil kann er Gottes Wort und Schrift verkehren und verwirren; was sollte ers nicht mit meinen oder eines andern Worten tun?

Erstlich glaube ich von Herzen den hohen Artikel der göttlichen Majestät, daß Vater, Sohn, heiliger Geist drei unterschiedliche Personen, ein rechter, einziger, natürlicher, wahrhaftiger Gott ist, Schöpfer Himmels und der Erden (1. Mose 1,4 wie das alles bisher sowohl in der römischen Kirche und in aller Welt bei den christlichen Kirchen gehalten ist.

Zum zweiten glaube ich und weiß, daß die Schrift uns lehret, daß die mittlere Person in Gott, nämlich der Sohn, allein wahrhaftiger Mensch geworden ist, von dem heiligen Geist ohne eines Mannes Zutun empfangen und von der reinen, heiligen Jungfrau Maria als von rechter natürlicher Mutter geboren, wie das alles Lukas klar beschreibt und die Propheten verkündigt haben. So daß nicht der Vater oder der heilige Geist Mensch geworden sei, (wie etliche Ketzer gelehret), auch daß Gott der Sohn nicht allein den Leib ohne Seele (wie etliche Ketzer gelehret), sondern auch die Seele, das ist eine ganze völlige Menschheit angenommen und als rechter Same oder Kind Abraham und David verheißen und als natürlicher Sohn Marias geboren sei, in aller Weise und Gestalt ein rechter Mensch, wie ich selbst bin und alle anderen, nur daß er ohne Sünde allein von der Jungfrau durch den heiligen Geist gekommen ist. Und daß solcher Mensch wahrhaftig Gott sei als eine ewige, unzertrennliche Person aus Gott und Mensch geworden, so daß Maria, die heilige Jungfrau, eine rechte wahrhaftige Mutter nicht allein des Menschen Christi sei,5 sondern des Sohnes Gottes, wie Lukas spricht (Luk. 1, 35): "Das von dir geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden", das ist mein und aller Herr, Jesus Christus, Gottes und Marien einziger, rechter, natürlicher Sohn, wahrhaftiger Gott und Mensch.

Auch glaube ich, daß solcher Gottes- und Mariensohn, unser Herr Jesus Christus, für uns arme Sünder gelitten hat, gekreuzigt, gestorben und begraben sei, womit er uns von der Sünde, Tod und ewigem Zorn Gottes durch sein unschuldig Blut erlöset, und daß er am dritten Tage auferstanden sei vom Tode und aufgefahren gen Himmel und sitzet zur rechten Hand Gottes, des allmächtigen Vaters, ein Herr über alle Herren, König über alle Könige und über alle Kreaturen im Himmel, (auf) Erden und unter der Erde, über Tod und Leben, über Sünde und Gerechtigkeit. Denn ich bekenne und weiß aus der Schrift zu beweisen, daß alle Menschen von einem Menschen Adam gekommen sind und von demselben durch die Geburt Fall, Schuld und Sünde mit sich bringen und erben, die derselbe Adam im Paradies durch des Teufels Bosheit begangen hat, und (sie) so samt ihm allzumal in Sünde geboren, leben und sterben und des ewigen Todes schuldig sein müssen, wenn nicht Jesus Christus uns zur Hilfe gekommen wäre und solche Schuld und Sünde als ein unschuldiges Lämmlein auf sich genommen hätte, für uns durch sein Leiden bezahlet und noch täglich für uns (ein) stehet und (ein) tritt als ein treuer barmherziger Mittler, Heiland und einziger Priester und Bischof unserer Seelen.

Hiermit verwerfe und verdamme ich als eitel Irrtum alle Lehre, die unseren freien Willen preiset, da sie direkt solcher Hilfe und Gnade unseres Heilands Jesu Christi widerstrebt. Denn weil außer Christus der Tod und die Sünde unsere Herren und der Teufel unser Gott und Fürst ist, kann da keine Kraft noch Macht, keine Klugheit noch Verstand sein, durch die wir uns zur Gerechtigkeit und zum Leben bereit machen oder trachten könnten, sondern (wir) müssen verblendet und gefangen, des Teufels und der Sünde eigen sein, zu tun und zu denken, was ihnen gefällt und Gott mit seinen Geboten zuwider ist.

Ebenso verdamme ich auch sowohl die neuen und alten Pelagianer, welche die Erbsünde nicht Sünde sein lassen wollen, sondern sie solle ein Gebrechen oder Mangel sein. Aber weil der Tod über alle Menschen gehet, muß die Erbsünde nicht ein Gebrechen, sondern allzu große Sünde sein, wie Paulus Röm. 6, 23 sagt: "Der Sünde Sold ist Tod" und abermals (1. Kor. 15, 56); "Die Sünde ist des Todes Stachel". So sagt auch David PS. 51, 7: "Siehe, ich bin in sündlichem Wesen geboren, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen", er sagt nicht: Meine Mutter hat mich mit Sünden empfangen, sondern: Ich, Ich, Ich bin in Sünden empfangen, und meine Mutter hat mich in Sünden getragen, das ist, daß ich im Mutterleibe aus sündlichem Samen gewachsen bin, wie das der hebräische Text besagt.

Demnach verwerfe und verdamme ich auch als eitel Teufels Rotten und Irrtum alle Orden, (Mönchs) regeln, Klöster, Stifte und was von Menschen über die Schrift hinaus und außerhalb der Schrift erfunden und eingesetzt ist, durch Gelübde und Pflichten gebunden, obgleich viele große Heiligen drinnen gelebt und als die Auserwählten Gottes zu dieser Zeit dadurch verführet und doch endlich durch den Glauben an Jesus Christus erlöset und entronnen sind. Denn dieweil solche Orden, Stifte und Sekten in der Absicht gelebt und gehalten werden, daß man durch solche Wege und Werke selig werden wolle und könne, der Sünde und dem Tod entlaufen, so ists eine öffentliche, greuliche Lästerung und Verleugnung der einzigen Hilfe und Gnade unseres einzigen Heilands und Mittlers Jesus Christus. Denn es ist uns sonst kein Name gegeben, durch welchen wir selig werden sollen (Apg. 4, 12), außer diesem, der da heißt Jesus Christus, und es ist unmöglich, daß mehr Heilande, Wege oder Weisen seien, selig zu werden, außer durch die einzige Gerechtigkeit, die unser Heiland Jesus Christus ist und hat, uns geschenkt und für uns vor Gott gestellet als unser einziger Gnadenstuhl, Röm. 3, 25.

Wohl wäre es fein, wenn man Klöster oder Stifte zu dem Zweck hielte, daß man junge Leute drinnen Gottes Wort, die Schrift und christliche Zucht lehrte, dadurch man feine geschickte Männer zu Bischöfen, Pfarrern und allerlei Dienern der Kirche, auch zu weltlichem Regiment tüchtige gelehrte Leute und feine züchtige gelehrte Weiber, die hernach christlich haushalten und Kinder aufziehen könnten, zurichtete und bereitete. Aber einen Weg der Seligkeit da suchen, das ist Teufels Lehre und Glaube, 1. Tim. 4, 1 ff, usw.

Aber die heiligen Orden und rechten Stiftungen, von Gott eingesetzt, sind diese drei: das Priesteramt, der Ehestand, die weltliche Obrigkeit. Alle die, welche im Pfarramt oder im Dienst des Worts gefunden werden, sind in einem heiligen, rechten, guten, Gott angenehmen Orden und Stand, als die da predigen, Sakramente reichen, der allgemeinen Kasse vorstehen, Küster und Boten oder Knechte, die solchen Personen dienen usw. Solches sind eitel heilige Werke vor Gott. Ebenso wer Vater und Mutter ist, (sein) Haus wohl regiert und Kinder aufzieht zu Gottes Dienst, ist auch eitel Heiligtum und (ein) heilig Werk und heiliger Orden. Desgleichen, wo Kinder oder Gesinde den Eltern oder Herren gehorsam sind, ist auch eitel Heiligkeit, und wer darin gefunden wird, der ist ein lebendiger Heiliger auf Erden. Ebenso auch (ein) Fürst oder Oberherr, Richter, Amtleute, Kanzler, Schreiber, Knechte, Mägde und alle, die solchen dienen, dazu alle, die als Untertanen gehorsam sind: alles (ist) eitel Heiligtum und heiliges Leben vor Gott, deshalb weil solche drei Stiftungen oder Orden in Gottes Wort und Gebot gefasset sind. Was aber in Gottes Wort gefasset ist, das muß heilig Ding sein, denn Gottes Wort ist heilig und heiliget alles, das an ihm und in ihm ist.

Über diese drei Stiftungen und Orden hinaus ist nun der allgemeine Orden der christlichen Liebe, darin man nicht allein den drei Orden, sondern auch insgeheim einem jeglichen Bedürftigen mit aller Wohltat dienet, als (da sind): die Hungrigen speisen, die Durstigen tränken usw., den Feinden vergeben, für alle Menschen auf Erden bitten, allerlei Böses auf Erden leiden usw. Siehe, das sind alles eitel gute, heilige Werke. Dennoch ist kein solcher Orden ein Weg zur Seligkeit, sondern es bleibt der einzige Weg über diese alle (hinaus), nämlich der Glaube an Jesus Christus; denn es ist etwas ganz anderes: heilig und selig sein. Selig werden wir allein durch Christus, heilig aber sowohl durch solchen Glauben und auch durch solche göttlichen Stiftungen und Orden. Es mögen auch Gottlose wohl viel heilige Dinge haben, sind aber darin nicht selig! Denn Gott will solche Werke von uns zu seinem Lob und Ehre haben. Und alle die, welche in dem Glauben Christi selig sind, die tun solche Werke und halten solche Orden. Was aber vom Ehestand gesagt ist, soll man auch vom Witwenund Jungfrauenstand verstehen, denn sie gehören doch zum Haus und zum Haushalten usw. So nun diese Orden und göttlichen Stiftungen nicht selig machen, was sollten dann die Teufelsstifte und -klöster tun, die allein, ohne Gottes Wort, aufgekommen sind und dazu wider den einzigen Weg des Glaubens streben und toben?

Zum dritten glaube ich an den heiligen Geist, der mit Vater und Sohn ein wahrhaftiger Gott ist und vom Vater und Sohn ewiglich kommt, doch in einem göttlichen Wesen und Natur eine unterschiedliche Person. Durch denselben werden alle Gläubigen als eine lebendige, ewige, göttliche Gabe und Geschenk mit dem Glauben und andern geistlichen Gaben gezieret, vom Tode auferweckt, von Sünden befreit und fröhlich und getrost, frei und sicher im Gewissen gemacht. Denn das ist unser Trotz, daß wir solches Geistes Zeugnis in unserm Herzen fühlen, daß Gott unser Vater sein, Sünde vergeben und ewiges Leben geschenkt haben will.

Das sind die drei Personen und ein Gott, der sich uns allen selber ganz und gar gegeben hat mit allem, das er ist und hat. Der Vater gibt sich uns mit Himmel und Erde samt allen Kreaturen, daß sie (uns) dienen und nütze sein müssen. Aber solche Gabe ist durch Adams Fall verfinstert und unnütz geworden. Darum hat sich danach der Sohn selbst uns auch gegeben, alle seine Werke, Leiden, Weisheit und Gerechtigkeit geschenkt und uns (mit) dem Vater versöhnet, damit wir, wieder lebendig und gerecht, auch den Vater mit seinen Gaben erkennen und haben möchten. Weil aber solche Gnade niemand nütze wäre, wo sie so heimlich verborgen bliebe und nicht zu uns kommen könnte, so kommt der heilige Geist und gibt sich uns auch ganz und gar. Der lehret uns solche Wohltat Christi, uns erzeigt, erkennen, hilft sie empfangen und behalten, nützlich brauchen und austeilen, mehren und fördern und tut dasselbe sowohl innerlich und äußerlich: innerlich durch den Glauben und andere geistige Gaben, äußerlich aber durchs Evangelium, durch die Taufe und das Sakrament des Altars, durch welche er als durch drei Mittel oder Weisen zu uns kommt und das Leiden Christi in uns übet und zum Nutzen der Seligkeit bringet.

Darum glaube und weiß ich, daß gleichwie nicht mehr als ein Evangelium und ein Christus, so auch nicht mehr als eine Taufe ist, und daß die Taufe an sich selbst eine göttliche Ordnung ist, wie (es) sein Evangelium auch ist. Und gleichwie das Evangelium deshalb nicht falsch oder unrecht ist, ob es etliche fälschlich brauchen oder lehren oder nicht glauben, so ist auch die Taufe nicht falsch noch unrecht, ob sie gleich etliche ohne Glauben empfingen oder gäben oder sonst mißbrauchten. Deshalb verwerfe und verdamme ich gänzlich die Lehre der Wiedertäufer8 und wer sie sind, die wiedertaufen. Ebenso sage ich auch und bekenne das Sakrament des Altars, daß daselbst der Leib und Blut im Brot und Wein wahrhaftig mündlich gegessen und getrunken werde, ob gleich die Priester, die es reichen, oder die, welche es empfangen, nicht glaubten oder (es) sonst mißbrauchten. Denn es stehet nicht auf (der) Menschen Glauben oder Unglauben, sondern auf Gottes Wort und Ordnung. Es wäre denn, daß sie zuvor Gottes Wort ändern und anders deuten, wie die jetzigen Sakramentsfeinde tun, welche freilich eitel Brot und Wein haben; denn sie haben auch die Worte und eingesetzte Ordnung Gottes nicht, sondern haben dieselbe nach ihrem eigenen Dünkel verkehret und verändert.

Demnach glaube ich, daß eine heilige christliche Kirche auf Erden sei, das ist die Gemeinde und Zahl oder Versammlung aller Christen in aller Welt, die einzige Braut Christi und sein geistlicher Leib, dessen er auch das einzige Haupt ist und die Bischöfe oder Pfarrer sind nicht Häupter, noch Herren, noch Bräutigame derselben, sondern Diener, Freunde und, wie das Wort Bischof besagt, Aufseher, Pfleger oder Fürsorger. Und dieselbe Christenheit ist nicht allein unter der römischen Kirche oder (dem) Papst, sondern in aller Welt, wie die Propheten verkündiget haben, daß Christi Evangelium in alle Welt kommen sollte (PS. 2, 7 ff.; Ps. 19, 5), so daß die Christenheit also unter Papst, Türken, Persern, Tataren und allenthalben leiblich zerstreuet ist, aber geistlich in einem Evangelium und Glauben unter einem Haupt versammelt, das Jesus Christus ist. Denn das Papsttum ist gewiß das rechte endchristliche Regiment oder die rechte widerchristliche Tyrannei, die im Tempel Gottes sitzt und mit Menschen Gebot regiert, wie Matth. 24, 24 Christus und 2. Thess. 2, 4 Paulus verkündigen, obwohl auch daneben der Türke und alle Ketzerei, wo sie sind, auch zu solchem Greuel gehören, von dem "in der heiligen Stätte zu stehen" geweissagt ist; aber dem Papsttum (sind sie) nicht gleich.

In dieser Christenheit, und wo sie ist, da ist Vergebung der Sünden, das ist: ein Königreich der Gnade und des rechten Ablasses. Denn daselbst ist das Evangelium, die Taufe, das Sakrament des Altars, darin Vergebung der Sünde angeboten, geholet und empfangen wird. Und Christus und sein Geist und Gott ist auch daselbst. Und außerhalb solcher Christenheit ist kein Heil noch Vergebung der Sünden, sondern ewiger Tod und Verdammnis, obgleich großer Schein der Heiligkeit da ist und viel guter Werke, so ist doch alles verloren. Solche Vergebung der Sünden aber ist nicht auf einmal in der Taufe zu erwarten, wie die Novatianer lehren, sondern so oft und so viele Male man derselben bis in den Tod bedarf. Aus dieser Ursache halte ich viel von der Privatbeichte, weil daselbst Gottes Wort und Absolution zur Vergebung der Sünden heimlich und einem jeglichen besonders zugesprochen wird, und er, so oft er will, darin solche Vergebung oder auch Trost, Rat und Weisung haben kann, so daß sie eine sehr teure, nützliche Sache für die Seelen ist, sofern man niemand dieselbe mit Gesetzen und Geboten aufdringe, sondern sie frei sein lasse, so daß ein jeglicher sie in seiner Not, wann und wo er will, gebrauche, gleich wie es freigestellt ist, Rat und Trost, Weisung oder Lehre zu holen, wann und wo die Not oder der Wille es fordert, und daß man nicht alle Sünden aufzuzählen oder zu berichten zwinge, sondern (nur) die, welche am meisten drücken oder welche jemand nennen will, in allen Dingen so, wie ich es im Betbüchlein beschrieben habe. Der Ablaß aber, den die päpstliche Kirche hat und gibt, ist eine lästerliche Betrügerei. Nicht allein deshalb, weil sie über die allgemeine Vergebung hinaus, die in aller Christenheit durch das Evangelium und das Sakrament gegeben wird, eine besondere erdichtet und anrichtet und damit die allgemeine Vergebung schändet und vernichtet, sondern (deshalb), weil sie auch die Genugtuung für die Sünde auf Menschen Werk und der Heiligen Verdienst stellt und gründet, so doch allein Christus für uns genug tun kann und getan hat.

Für die Toten, weil die Schrift nichts davon meldet, meine ich, daß es nicht Sünde sei, aus freier Andacht so oder dergleichen zu bitten: Lieber Gott, hat es mit der Seele solche Gestalt, daß ihr zu helfen sei, so sei ihr gnädig usw. Und wenn solches einmal geschehen ist oder zweimal, so laß es genug sein. Denn die Totengedächtnisse und Seelenmessen und jährlichen Begängnisse sind nichts nütze und sind des Teufels Jahrmarkt. Wir haben auch nichts in der Schrift vom Fegefeuer, und ebenso ist auch das von den Erscheinungen Verstorbener von Menschen13 aufgebracht worden. Darum meine ich, daß es nicht notwendig sei, eines (davon) zu glauben, obwohl Gott alle Dinge möglich sind, er auch die Seele nach dem Abschied vom Leibe peinigen lassen könnte. Aber er hats nicht sagen noch schreiben lassen, darum will ers auch nicht geglaubt haben. Ich weiß aber sonst wohl ein Fegefeuer, aber davon ist nichts in der Gemeinde zu lehren noch dawider mit Stiftungen und Vigilien zu handeln.

Die Heiligen anzurufen haben andere eher als ich angegriffen, und mir gefällt es, und ich glaubs auch, daß Christus allein als unser Mittler anzurufen sei. Das gibt die Schrift und ist sicher. Von Heiligen anzurufen ist nichts in der Schrift, darum muß es unsicher und nicht zu glauben sein.

Die Ölungen, wenn man sie entsprechend dem Evangelium hielte (Mark. 6, 13 und Jak. 5, 14), ließe ich hingehen. Aber daß ein Sakrament daraus zu machen sei, ist nichts. Denn gleich wie man anstatt der Vigilien und Seelenmessen wohl eine Predigt vom Tode und ewigen Leben tun und so bei dem Begräbnis beten und unser Ende bedenken könnte (wie es scheinet, daß es die Alten getan haben), so wäre es auch wohl fein, daß man zum Kranken ginge, betete und vermahnte, und so man ihn daneben mit Öl bestreichen wollte, sollte es im Namen Gottes frei sein.

Ebenso darf man auch kein Sakrament aus der Ehe und dem Priesteramt machen. Sie sind sonst an sich selbst genug heilige Orden. So ist ja die Buße nichts anderes als Übung und Kraft der Taufe. So daß die zwei Sakramente bleiben: Taufe und Abendmahl des Herrn neben dem Evangelium, darinnen uns der heilige Geist reichlich Vergebung der Sünden darbietet, gibt und übet.

Als größtes aller Greuel aber sehe ich die Messe an, die als ein Opfer oder gutes Werk gepredigt und verkauft wird, darauf denn jetzt alle Stifte und Klöster stehen, aber, so Gott will, bald liegen sollen. Denn obwohl ich ein großer, schwerer, schändlicher Sünder gewesen bin und meine Jugend auch verdammlich zugebracht und verloren habe, so sind doch das meine größten Sünden, daß ich ein so "heiliger" Mönch gewesen bin und mit vielen Messen über fünfzehn Jahre lang meinen lieben Herrn so greulich erzürnet, gemartert und geplagt habe. Aber Lob und Dank sei seiner unaussprechlichen Gnade in Ewigkeit gesagt, daß er mich aus solchem Greuel geführt hat und mich noch täglich, obwohl als sehr Undankbaren, im rechten Glauben hält und stärkt.

Demnach habe ich geraten und rate noch, die Stifte und Klöster samt den Gelübden zu verlassen und sich in die rechten christlichen Orden zu begeben, auf daß man solchen Greueln der Messe und lästerlichen Heiligkeit wie der Keuschheit, Armut, Gehorsam entlaufe, dadurch man sich heilig zu werden vornimmt. Denn so fein es im Anfang der Christenheit gewesen ist, den Jungfrauenstand einzuhalten, so greulich ist es jetzt, daß man dadurch Christi Hilfe und Gnade verleugnet. Denn man kann wohl als Jungfrau, Witwe und keusch leben ohne solche lästerlichen Greuel.

Bilder, Glocken, Meßgewand, Kirchenschmuck, Altarlichter und dergleichen halte ich für frei. Wer da will, der kanns lassen, obwohl ich Bilder aus der Schrift und von guten Historien für sehr nützlich halte, aber doch frei und in eines jeden Ermessen. Denn mit den Bilderstürmern halte ich es nicht.

Zuletzt glaube ich die Auferstehung aller Toten am Jüngsten Tage, sowohl der frommen und der bösen, daß ein jeglicher daselbst an seinem Leibe empfange, wie er es verdienet hat und so die Frommen ewiglich leben mit Christus und die Bösen ewiglich sterben mit dem Teufel und seinen Engeln. Denn ich halte es nicht mit denen, die da lehren, daß die Teufel auch endlich zur Seligkeit kommen werden.

Das ist mein Glaube; denn so glauben alle rechten Christen und so lehret uns die heilige Schrift. Was ich aber hier zu wenig gesagt habe, des werden mir meine Bücher genugsam Zeugnis geben, besonders die in den letzten vier oder fünf Jahren ausgegangen sind. Alle frommen Herzen, bitte ich, wollten mir (dessen) Zeugen sein und für mich bitten, daß ich in solchem Glauben fest bestehen und mein Ende beschließen möge. Denn (Gott möge es verhüten!) wenn ich aus Anfechtung und Todesnöten etwas anders sagen würde, so soll es doch nichts sein, und ich will hiermit öffentlich bekannt haben, daß es unrecht und vom Teufel eingegeben sei. Dazu helfe mir mein Herr und Heiland Jesus Christus, gebenedeit in Ewigkeit, Amen.


Text nach: Martin Luther, Gesammelte Werke