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Achte Betrachtung
Von der Unveränderlichkeit Gottes

I.
Gott ist, an und für sich selbst und nach seiner Natur betrachtet, unveränderlich und immer derselbe. So wie er vor der Schöpfung des Weltalls war, ist er heute noch und wird die ganze Ewigkeit bleiben und seine Wesenheit wird sich nie ändern. Bei ihm ist keine Veränderung und kein Schatten von Veränderlichkeit (Jak 1), wie in der Sonne, die verschiedene Stelllungen einnimmt, und so oft hinter dem Schatten des Mondes sich verfinstert und hinter den Wolken sich verbirgt. Denn wenn Gott sich beränderte, sagt Plato, so müßte er entweder aus sich selbst oder durch einen anderen sich ändern. Durch einen anderen kann er sich nicht ändern. Denn je besser Etwas zusammengesetz, und je besser der Zustand ist, in dem es sich befindet, um so sicherer wiedersteht es fremder Macht. Ein Körper mit einer guten Konstitution erleidet durch die Arbeit keine Veränderung; ein gut gepflanzter Baum widersteht der Gewalt des Windes; ein Geist, der Stärke und Weisheit besitz, wird von keiner Leidenschaft beunruhigt; die Schiffe, die gut gebaut sind, die Gebäude, die ein gutes Fundament haben, mit einem Wort: Alles, was dauerhaft und fest ist, ist keiner Veränderung unterworfen. Da nun Gott vollkommen ist, kann er keine Veränderung von Außen erhalten. Er kann aber auf gleiche Weise nicht durch sich sich ändern; denn dieses könnte nur geschehen, um besser und vollkommener zu werden, als er eben ist. Dieses ist aber unmöglich, weil nichts Schöneres und Vollkommeneres gedacht werden kann. Er besitzt alle Güter mit beständiger und unveränderlicher Glückseligkeit. Er könnte sich verändern, um sich zu verschlechtern. Aber auch dieses ist unmöglich. Denn wer in aller Welt will mit vollkommen freiem Willen schlechter werden und sich selbst herabsetzen? Gott ist also notwendig, nach allen Seiten betrachtet, unveränderlich. Man kann Gott gleichsam mit einem Festungsplatze vergleichen, der von allen Seiten mit Bollwerken und Befestigungen versehen ist, die ihn uneinnehmbar machen; denn er ist ebenso von allen seinen Eigenschaften umgeben, die ihn der Veränderlichkeit unzugänglich machen, sie mag sich ihm aufdrängen, von welcher Seite sie will. Seine Ewigkeit befestigt sein Bestehen gegen den Zahn der Zeit, so daß sie weder Anfang noch Ende ihm mitteilen kann. Vermöge seiner Unermeßlichkeit ist er an allen möglichen Orten, so daß er eine Stelle nie zu verlassen braucht, um an die andere sich begeben. Seine Weisheit und seine unendliche Erkenntnis verleiht ihm stets sichere Pläne und Beschlüsse, die er darum nie zu ändern bracht. Kurz seine vollkommene Glückseligkeit verursacht seine ewige Zufriedenheit in dem Besitze seiner selbst, ohne daß er etwas Anderes begehrt.

O Gott, immer derselbe, immer unfähig zum Leiden und unsterblich! Ich wünsche dir Glück, daß du von Ewigkeit zu Ewigkeit glückselig und unveränderlich bist und bleibst. Wie glücklich ist das Geschöpf, das dir sich ganz weiht; der du unsterblich bist und unaufhörlich fortbestehst! Den Großen der Welt zu dienen mag wegen ihrer wunderlichen und veränderlichen Launen schwer sein. Noch viel schwieriger ist aber ihr Dienst wegen der Hinfälligkeit ihres Lebens; denn wenn diese Oberhand erhält, beraubt sie die Diener der geliebten Person und nimmt den Gegenstand ihrer Hoffnung hinweg. Wer aber dir dient, o Gott, ist versichert, daß dein Glück nie wanken und daß der Tod nie seiner Liebe dich entreißen wird. Du bist für Jeden, der dich besitzt, ein ewiges Gut. O mein Herr, möchte ich dir dienen! o nie wankendes stets sicheres Gut, möchte ich dich einmal für immer genießen. Da wäre ich glücklich in meinem Leben und befestigt in dir.

II.
Gott ist auch unveränderlich in seinem Verhalten und in seinen Handlungen bezüglich der Geschöpfe, denn es mag ihnen begenen oder in ihnen vorgehen, was da will, auf ihn kann eine Veränderung nicht übergehen. Gott bleibt immer derselbe, sei es, daß er sie will oder nicht will, daß er sie schafft oder nicht schafft, er betrachtet sie immer in seiner Ruhe, in seinem Frieden, in seiner unveränderlichen Selbstzufriedenheit. Wenn die Menschen ihn bleidigen und sich gegen ihn verschwören, so ist er darüber nicht betrübt; denn er weiß, daß es ihrer Undankbarkeit und Verderbtheit nicht gelingen wird, durch ihre Beschimpfungen und durch ihre Gotteslästerungen im Geringsten ihm einen Abtrag zu tun. Wenn sie auf der anderen Seite ihm dienen und ihn ehren, so empfängt er dadurch keine neue Freude, denn er weiß wohl, daß sie durch alle ihre Ehre ihn in Nichts vergrößern können. Job sagt darum: War nützt es Gott, wenn du gerecht bist? oder was verschaffst du ihm, wenn makellos dein Wandel ist? (Job 22,3). Endlich, wenn er manchmal seine Engel aussendet und manchmal nicht, wenn er eben seine Gnade erteilt und nachher sie zurückzieht, wenn er die Sünden straft und dann wieder tut, als sähe er sie nicht, so sind dieses Alles keine Veränderungen in ihm, sondern bloß in seinen Geschöpfen. Er ändert seine Werke, sagt der heil. Augustin, ohne seine Ratschlüsse zu ändern a), d.h. der Unveränderliche verändert Alles, und er ist nie alt und nie neu. Er erneuert Ales, und macht die Fürsten altern und führt sie ihrem Ende zu, ohne daß sie es vermuten.

a) Conf. 1. cap. 4.

O Gott, immer derselbe unter allen Wechseln und Wirren der Geschöpfe, ich freue mich, daß du im höchsten Gute so besfestigt bist, daß es nicht einmal möglich ist, Etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen, und daß Nichts, was in der Welt vorkommt, dich beunruhigt. O möchte es Gott gefallen, daß ich diese Beständigkeit nachahme, so daß mir weder die Widerwärtigkeiten Widerwillen, noch die günstigen Verhältnisse eitle Freude einflößen. Möchte dieser Entschluß, den ich habe, dir zu dienen nicht durch die Zufälle und Ereignisse dieses sterblichen Lebens wankend gemacht werden. O möchte ich wie der heil. Paulus sein. Wer wird uns denn scheiden von der Liebe Christi? Trübsal? der Bedrängnis? oder Hunger? oder Blöße? oder Gefahr? oder Verfolgung? oder das Schwert?...Denn ich bin gewiß, daß weder Tod, noch Leben, weder Engel, noch Fürstentümer, noch Gewalten, weder Gegenwärtiges, noch Zukünftiges, weder Macht, noch Hoheit, noch Tiefe, noch irgend welch ein Geschöpf wird vermögen, uns zu scheiden von der Liebe Gottes (Röm 8,35.38.39). Aber wir sind unbeständig, und in einem Augenblicke verwandelt sich unsere Hoffnung in ungerecht Furcht, unsere Bescheidenheit in Zügellosigkeit, unser Stillschweigen in eitles Geschwätz, unsere Demut in Stolz, unsere Liebe in Groll und unsere Tugend in Laster. O ewiger Gott, wenn wir in diesem unvollkommenen Leben, um zur Ruhe zu kommen, eine Veränderung notwendig haben, o möchten wir dann nicht vom Guten zum Bösen, sondern vom Bösen zum Guten durch eine wahre Bekehrung uns ändern und vom Guten zum Besseren durch einen beständigen Fortschritt in den Werken der Tugend, zu der du uns berufst.

III.
Betrachte, daß Gott allein unveränderlich ist, und daß alle Geschöpfe wandelbar und unbeständig sind. Die Elemente zerstören sich, eines das andere, und gestalten sich unaufhörlich durch ihren Wechsel und ihre endlosen Erneuerungen um. Die Pflanzen, die Tiere, die Leiber der Menschen gehen täglich ihrem Untergange entgegen, um neuen Geschöpfen Platz zu machen, die mit dem sich schmücken , was jene verlassen haben. Selbst die Himmel, mit den Sternen, mit den Planeten verändern sich, und ihre Wesenheit selbst kann durch Gott vernichtet werden; denn er hat über Alles Gewalt. Die Engel auf gleiche Weise, unsterblicher Natur, ändern ihre Eigenschaften, und könnten durch die unbeschränkte Macht desjenigen, der sie ins Dasein gerufen hat, in den Abgrund des Nichts verstoßen werden. Die großen Monarchien in der Welt sind zerstört worden. Die blühendsten Städte Ninive, Babylon, Rom und ihnen ähnliche sind hinweggefegt. Das höchste Glück der Großen geht zu Grund, und nur im Vorbeigehen genießt man Zufriedenheit. Und unter allen diesen Dingen ist der Mensch ein flüchtiger Schatten und hat nie Bestand. Seine Pläne und Entschlüsse leiden an beständiger Schwankung, flatterhaft ist er von Gemüt und seine Leidenschaften beunruhigen und rütteln ihn von allen Seiten. Selbst im Augenblicke seiner Geburt verfolgt ihn schon der Tod und teilt mit ihm den ersten Tag seines Lebens. Endlich, so oft Gott ihm fehlt, ist es ihm an keinem Orte dieser veränderlichen Welt wohl, und er kommt so weit, daß er fast nur an dem Wechsel und an der Neuheit Vergnügen und Zufriedenheit genießt.

O mein Gott, wo kann ich mir Halt geben? wo kann ich sichere Hoffnung fassen, wenn nicht in dir, o mein Gott? Alles ist Flugsand in dieser Welt, und diese ein stürmisches Meer, und du allein, o mein Gott, bist der unerschütterliche Fels. Ich halte mich allein an dir, meine Hoffnung setze ich nicht mehr auf ein Geschöpf der Erde, nicht mehr auf dieses gebrechliche und hinfällige Leben, das nur zunimmt, um abzunehmen, das nur voranschreitet, um dem Tode sich zu nähern. Ach mein Gott, mein höchstes Gut, befestige mich in dir allen, und gestatte nicht, daß ich michvon dir auch nur einen Augenblick trenne.

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