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Fünfte Betrachtung
Von der Güte Gottes

I.
In Gott ist die Güte des Wesens, die eine unendliche Güte ist, eine Güte, die er in sich von Ewigkeit besitzt, und für welche er all unserer Liebe würdig wäre, wenn er selbst den Geschöpfen keine Wohltat erwiesen hätte. a) Diese Güte kommt allen Wesen zu, insoweit sie die zu ihrer Natur notwendigen Eigenschaften besitzen. So ist das Wasser gut, wenn es Reinheit, Klarheit, Kühle und Flüssigkeit hat. Die Frucht ist gut, wenn sie Schmackhaftigkeit, Süße und entsprechende Farbe hat und ebenso andere natürliche Dinge, die durch ihre eigentümliche Vollkommenheit gut sind. Gott hat alle Eigenschaften und Vorzüge, die zu seiner Natur notwendig sind. Er ist wahr, er ist einfach, er ist notwendig. Da er wahr ist, hat er Alles, was ihm zusteht; da er einfach ist, hat er es ganz und nicht teilweise, so daß Nichts ihm fehlt; da er notwendig ist, hat er es absolut und ohne jemals desselben verlustig werden zu können. Daraus entspringt die Güte seines Wesens, die alle seine Eigenschaften zusammenfaßt und macht, daß er gut genannt wird, nicht bloß, weil er den Geschöpfen Gutes erweist, sondern weil er unendlich vollkommen ist, allmächtig, höchst glückselig und weise, groß, majestätisch und heilig, so zwar, daß seine Güte unendlich ist und allgemein, nicht wie in einem Geschöpfe, wo die Güte nur ein gewisses Maß erreicht; denn in ihm ist die Güte ohne Grenze. Da nun das vollständige und allgemeine Gut mehr ist als jedes besondere Gut, so ist auch Gott das beste von allen Wesen, er ist das Gut aller Güter und das höchste Gut über alle Güter, die nur so viel Güte besitzen, als sie durch Teilnahme an der seinigen, und als sie mit derselben Ähnlichkeit haben. Lobet den Herrn, weil er gütig ist (Ps 106), weil er das beste und liebenswürdigste von allen Wesen ist. Er ist gut durch alle möglichen Arten von Güte. Er faßt in sich Alles was es Reines, Alles was es Schönes, Freudiges, Nützliches, Alles was Rühmliches, Mildes, Reiches, Ehrendes, Tugendhaftes, Liebenswürdiges gibt.

O Gott von unendlicher Güte, du allein bist das ganze Gut der Welt. Du bist wegen deiner selbst und wegen deiner Güte liebenswürdig, o mein Gott. Wehe den Seelen, die von einer solchen Güte, wie die deinige ist, sich abwenden, und die es wagen dieselbe zu beleidigen, oder die ein Gut außer dir suchen. Denn in dir allein findet man alles Gute. O höchste Güte! O hätte ich dich nie beleidigt!

a) Thom. qu. 9. Thom. lib. 1. contra gentes c. 40

II.
In Gott gibt es auch noch eine Güte des Wohlwollens und der Ausgießung seiner Güte in alle Geschöpfe der Welt, welchen er sich mitteilt und Gnaden zuwendet. In diesem Sinne ist er gut gegen alle Geschöpfe, im Himmel und auf der Erde. Er ist gut den Engeln, den Menschen, den Sternen, den Elementen, den Fischen, den Vögeln, den Haustieren und den wilden Tieren, den Pflanzen und den Steinen, mit einem Worte allen Geschöpfen, großen und kleine, bis zum Wurme der Erde, der sich seiner Geschenke erfreut, indem er einigermaßen Teil nimmt an den Reichtümern und an der Güte seiner Natur. Wenn du eröffnest deine Hand, wird Alles erfüllt mit Gutem (Ps 103, 28). Du öffnest deine Hand und sättigst Alles, was lebt, mit Segen (Ps 144,16). Der auf Bergen Gras sprossen läßt, und Kräuter zu der Menschen Dienste, der ihre Speise gibt den Tieren und den jungen Raben, da sie zu ihm schreien (Ps 146,8.9). Diese Güte ist ähnlich der Sonne, die ihre Strahlen allenthalben ausgießt und alle Wesen, sowohl diejenigen, die mit Vernunft begabt, als die derselben beraubt sind, erleuchtet. Wenn einige nicht von dem Einflusse dieses Gestirnes empfangen, so dürfen wir nicht ihm die Schuld beimessen, denn durch unerschöpflichen Ausfluß strahlt und sendet es Licht nach allen Seiten. Die göttliche Güte, die die Sonne so weit überragt wie die Wirklichkeit die Schatten übertrifft, gießt überall und schüttet überall vom Himmel bis zur Hölle a) die Wirkungen ihrer unendlichen Güte aus.... Durch diese Güte ist er das Gut, das im höchsten Grade sich mitteilt, nicht aus Zwang oder aus Notwendigkeit, nicht aus Bedürfnis oder in der Hoffnung auf Ersatz, sondern aus heiligem Verlangen, das ihn antreibt, allen Geschöpfen Gutes zu erweisen und ihnen mit Gunstbezeigungen zuvorzukommen. 

O Gott, dessen Natur die Güte selbst ist; diese Güte, die alle Wesen umfaßt, sei immer gebenedeit. Ich danke dir jetzt im Namen aller Geschöpfe, die ohne Vernunft und Gefühl sind und nicht Kenntnis genug haben, um dir zu danken. Ich danke dir auch im Namen Aller, die mit Vernunft begabt sind und die nichts desto weniger undankbar bleiben, und den Dank für deine Güte verweigern. Gleich sind diese den niedrigen Tieren, die die Eichel unter der Eiche auffressen, ohne auch nur einen Blick zu ihren Ästen zu richten. O mein Gott, womit soll ich dir danken? O Gott, der du so unendlich gut bist, o könnte ich deine Hochherzigkeit nachahmen und jedem Geschöpfe Gutes erweisen, so viel in meiner Macht steht.

a) Dinonys. de div. nom.

III.
Aber besonders ist Gott dem Menschen gut und für ihn ist seine Güte sorgfältiger als für alle übrigen Geschöpfe. Er ist dem Menschen gut als das Urwesen, das ihm das Wesen gegeben hat. Er ist ihm gut als sein Erhalter, der ihn beschützt. Er ist ihm gut als das Ziel, der Mittelpunkt und die Glückseligkeit, in der er mit Wonne ruhen soll. Gott ist dem Menschen gut, wie ein Freund seinem Freunde gut ist; denn er ist der treueste und zärtlichste Freund. a) Er ist dem Menschen gut, wie ein Vater seinen Kindern; denn er ist der Vater voller Trost. Er ist ihm gut, wie dem Bedürftigen der Wohltäter, denn er sorgt für seine Bedürfnisse. Gott ist dem Menschen gut, gleichsam der Schatz jeder Art von Gütern für ihn. Er ist das höchste Gut, das der Mensch als die Quelle jeder Tugend und Erhabenheit suchen kann. Er ist auch das höchste Gut des Menschen, denn Alles hat er von Gott in zeitlicher und geistiger Beziehung. Er ist endlich sein höchstes Gut, weil er jetzt, wenn er ihn liebt, Wonne und unaussprechlichen Trost empfängt und in der Hoffnung für die Ewigkeit solche Freuden, die man nicht aus de Kraft eines endlichen Wesens schöpfen kann. Mit einem Worte, Gott ist dem Menschen gut durch alle seine Eigenschaften: seine Macht schafft und erhält ihn, seine Weisheit lenkt und leitet ihn, seine Liebe begünstigt und liebkost ihn, seine Vorsehung wacht über ihn, seine Barmherzigkeit verzeiht ihm , seine Gerechtigkeit erträgt ihn, seine Schönheit reißt in fort zur Wonne der heiligsten Verwunderung, seine Ewigkeit sichert ihn, daß er ihn, wenn er ihn einmal besitzt, nie verlieren wird, seine Unermeßlichkeit läßt ihn überall seinen Gott finden. So ist Gott dem Menschen gut und Alles, was in Gott ist, ist Gut des Menschen.  Was soll ich nun noch sagen, meine Seele? Gut ist der Herr denen, so auf ihn harren, der Seele, die ihn sucht (Klagel 3,25).

O möchte ich dich suchen, o mein Gott, und möchte ich mich begnügen, dich zu finden. O mein höchstes Gut, möchten alle Dinge der Erde meinen Augen verächtlich sein im Vergleich mit dir; möchten alle Schmeicheleien der Geschöpfe mir zur Last sein und möchte ich nur deine Liebkosungen suchen. Gut bist du und nach deiner Güte lehre mich meine Satzungen (Ps 118,68). Alles was in dir ist, ist gut für mich, o möchte doch auch Alles, was in mir ist, gut für dich sein. Möchten alle meine Fähigkeiten gut sein im Hinblick auf dich, mein Verstand, indem er dich betrachtet, mein Wille, indem er dich liebt, mein Gedächtnis, indem es an dich sich erinnert und mein Körper , indem er sich als ein Opfer aufzehrt in den Werken deines Dienstes.

a) Suarez 1. 1. de Attr. c. 8.

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