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Zweite Betrachtung
Von dem Dasein Gottes

I.
Betrachte die Wichtigkeit dieser Wahrheit: Gott ist. Dieses ist die erste von allen Wahrheiten in der Welt, denn Alles bestätigt sie. Dieses ist eine ewige Wahrheit, denn von jeher war es wahr, und es wird wahr bleiben, daß es einen Gott gibt. Er ist vor allen Jahrhunderten ohne Anfang. Dieses ist eine notwendige Wahrheit, denn es ist unmöglich, daß Gott nicht sei.... Alle Geschöpfe, die sind, können auch nicht sein und werden aufhören zu sein, wenn er sie vernichten will, aber er kann nicht nicht sein, er kann nicht aufhören zu sein und sein Dasein ist absolut notwendig. Dieses ist eine unabänderliche Wahrheit und nie wird sie sich ändern, für die ganze Ewigkeit wird es wahr sein, wenn man sagt: Es gibt einen Gott. Diese Wahrheit ist das Fundament der Religion und die Quelle aller vollkommenen Tugenden. Denn Religion und Tugend werden nur im Hinblick auf Gott geübt, der unendliche Huldigungen verdient. Diese Wahrheit veredelt die Naturanlage der Menschen, zähmt ihre Unbändigkeit und hält sie ab von Barbarei; denn die Gottesfurcht besänftigt sie und macht sie gesellig. Diese Wahrheit ist die tröstlichste in der Welt; denn der Gedanke an Gott ist die Freude der tugendhaften Menschen, besonders am Ende ihrer Tage. Sie sehen wie vergänglich dieses Leben und wie hinfällig seine Freuden sind. Sie hoffen aber, in ihm allein mehr Güter zu finden, als sie in dieser Welt beim Scheiden von derselben verlassen. Wie ganz anders bei den Gottesleugnern. Sie lebten ohne Glauben, und haben so viel und so lang sie konnten an den Freuden der Welt sich gesättigt. Wenn sie nun dieselben dahinsterben sehen, bleibt ihnen kein Trost. Sie fallen in die äußerste Traurigkeit und Verzweiflung.

Diese erhabene und wichtige Wahrheit nehme ich freudig auf, ich umfasse sie mit aller Macht meiner Seele. Ich glaube es unbezweifelt, ich glaube es, o mein Gott: du bist. Ich würde eher an meinem Leben als an deinem Dasein zweifeln. O höchste Wahrheit, ich werde dich immer bekennen mit Herz und Mund! Wenn ich tausend Leben hätte, so wollte ich sie eher alle verlieren als dein Dasein leugnen. O erste und ewige Wahrheit, o ganz heilige und ganz tröstliche Wahrheit: Gott ist!....

II.
Die Kenntnis dieser wichtigen Wahrheit besitzt der Mensch von Natur aus. Und gewiß die ganze Schöpfung hilft ihm dazu: denn aus der Größe geschöpflicher Schönheit wird vergleichungsweise deren Bewerksteller erschaut (Weis 13,5). Gott! das ist der Ruf aller Geschöpfe. Sie erzählen und verkündigen Jedem, der sie betrachtet, in allen ihren Zuständen, in allen ihren Gestalten und in allen ihren Eigentümlichkeiten sein Wesen und seine Vollkommenheiten. In ihrem Wesen betrachtet verkündigen sie ein erstes Wesen, das ihr Ursprung ist; denn die ganze Welt ist nur Schöpfung. Es muß also außer der Welt einen Schöpfer geben. In ihrer wunderbaren Ordnung, in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und allgemeinen Harmonie betrachtet, verkündigen sie eine höchste Weisheit, die ihre Stellen ihnen gegeben, ihre Zeiten bestimmt und ihre Verrichtungen ihnen angewiesen hat. Denn eine schöne Ordnung in einer großen Vielheit ist die Wirkung der Weisheit. Und wie ein mächtiges Kriegsheer nicht zufällig aufgestellt ist, sondern durch Befehl eines weisen Feldherrn, so verhält es sich auch mit den Geschöpfen der Welt. Betrachtet in der Verschiedenheit und in der Zahl ihrer Fähigkeiten und Eigentümlichkeiten, die selbst in den kleinsten Tieren so gut zusammengepaßt sind, daß die Welt seit mehreren tausend Jahren immer noch mit allen ihren Gattungen und Arten ungeachtet des beständigen Gegensatzes, der unter ihnen ist, fortbesteht, verkündigen sie diese höchste Vorsehung, die die Welt mit allen ihren Wundern erhält. Mit einem Worte, alle Geschöpfe offenbaren die Größe und die Vollkommenheiten Gottes, jedes in seiner Art: die mächtigen zeigen seine Macht, die schönen seine hinreißende Schönheit, die lieblichen seine Milde. Auch alle Nationen der Welt haben eine Gottheit erkannt, sie alle hatten Priester und Opfer. Die wildesten und selbst die grausamsten haben mitten in ihrer Barbarei noch Gottesbewußtsein bewahrt; so sehr ist dies Bewußtsein eigentümlich, so sehr ist es dem Menschen eingegraben und von Natur aus eigen. Was macht’s, wenn Einzelne diese Wahrheit mißkannt haben? Dieses sind Mißgeburten unter den Menschen, deren Seele entstellt und deren Geist unnatürlich ist. Sie sind aber auch so selten wie die Missgeburten. Und selbst diese hegen diesen Unglauben nur in der Verwegenheit ihrer Jugend. Der größte Teil kommt wieder zu besserer Gesinnung, wenn der Tod näher rückt.

Ich freue mich, o mein Gott, daß die ganze Natur mit vereinter Kraft den Menschen deine Erkenntnis und das Bewußtsein deines Daseins einprägt; ich freue mich, daß alle Völker der Erde in diesem Bewußtsein und in deinem Dienste einstimmig sind. Es ist über uns ja ganz sichtbar deines Angesichtes Glanz, o Herr; du gabst mir Freude in das Herz (Ps 4,7). Du bist mein Gott, du bist mein Ursprung. Nein ich verlange sonst Nichts, wenn ich nur dir wohlgefällig bin. O möchte meine Seele nach dir sich sehnen, so lang sie dich nicht vollkommen schaut. O würdige meine Seele eines Blickes, gieße in sie einen Strahl deiner Liebe, und von da an will ich dein eigen sein, dir angehören, o mein Gott! O mein wahres Gut, möchte ich so mir Mühe geben, um in tausend und tausend Arten dir zu gefallen.

III.
Aber wie muß man sich Gott vorstellen? Die abgöttischen Heiden, und auch Irrlehrer haben sich ihn grobsinnlich unter körperlichen Formen und Gestalten vorgestellt, die seiner Größe unwürdig sind. Andere weniger Ungebildete haben sich ihn wie ein schönes Licht gedacht, das allerseits ausgegossen ist, aber als ein so glänzendes und lebendiges Licht, daß das Auge des Geistes seinen Glanz nicht ertragen kann, wie in der dichtesten Finsternis sich fände und Nichts sähe, wenn es den anschaute der Alles ist. Der scharfsinnige Scotus a) nähert sich mehr der Wahrheit, wenn er sagt, daß die schönste Idee, die wir uns von Gott machen könnten, diese ist, sich ihn unendlich und alle Vollkommenheit übertreffend zu denken. Aber ein alter Lehrer b) der Theologie scheint uns noch den besten Begriff aufgestellt zu haben, wenn er behauptet, daß die vollkommenste Idee, die wir von dem göttlichen Wesen haben können, diese ist, sich es vorzustellen als einen Gott in drei Personen. Einheit in Wesenheit und Dreiheit in Personen, das ist der richtige Ausdruck seines Wesens; denn er ist nicht körperlich und ist, eigentlich zu sagen, weder Licht noch Finsternis, und obwohl er unendlich die Unendlichkeit selbst ist, so bezeichnet doch dieser Ausdruck immer nur eine seiner Eigenschaften und nicht seine Wesenheit, wodurch er das erste und höchste Wesen ist, das unabhängige Wesen und die Vollkommenheit selbst, durch welche er in drei unendlichen Personen subsistiert, Vater, Sohn und heiliger Geist. Dreiheit ist der unterscheidende Charakter seines Wesens. Und seitdem ist die beste Art, sich von ihm eine Vorstellung zu machen, wenn man sich ihn vorstellt wie er ist, dabei aber Alles, was sinnlich und geschaffen ist, abstreift; denn um von Gott sich eine Vorstellung zu machen, muß man Alles hinwegdenken, was in der Welt ist und Alles, was in derselben nicht ist. Denke Nichts von Allen diesem, sagt der heil. Augustin. Nur eines mußt du bedenken, wenn du Gott sehen willst: Gott ist die Liebe. Er will sagen: Wenn man sich Gott vorstellen will, muß man sich die Liebe selbst vorstellen.

O! wie hoch und erhaben ist der Gedanke, sich von Allem zu trennen, um sich mit Gott zu vereinigen! Wie werde ich so frei werden, auf daß ich, entäußert von allem Gewölk der geschaffenen und eingebildeten Dinge, meinen Ursprung mit dieser großen Reinheit und dieser Vollkommenheit erfasse? O allerhöchster Gott, dem Nichts vergleichbar, vor dem Alles Niedrigkeit und Eitelkeit ist. O möchte ich alle Dinge, die sind und nicht sind, nur kennen, um dich zu sehen! Ach wie bin ich von Staunen hingerissen, wenn ich dich als so edel und so groß erfasse und wie rufe ich aus dem Grunde meines Herzens: O erstes und höchstes Wesen, o Unendlicher! O Gott ganz vollkommen und subsistierend in drei unendlichen Personen! O Größe! O Majestät! O Vollkommenheit über alle Vollkommenheiten! O Liebe! O unendliche Liebe!

a) In Mescellan 9,5
b) Joann. de monte S. Egigii.

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