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C.H. Spurgeon:
Plädoyer für den Calvinismus

aus seiner Autobiographie: Alles zur Ehre Gottes

Die alte Wahrheit, die Calvin gepredigt hat, die Wahrheit, die Augustin gepredigt hat, sie ist auch die Wahrheit, die ich heute predigen muss, sonst wäre ich unaufrichtig gegenüber meinem Gewissen und gegenüber Gott. Ich darf die Wahrheit nicht selbst gestalten; es ist mir fremd, die rauhen Kanten einer biblischen Lehre abzuschleifen. Ich habe das gleiche Evangelium, wie John Knox. Das, was durch Schottland gerauscht ist, muss auch wieder durch England rauschen.

Es ist großartig, wenn man sein Leben als Christ beginnt, indem man an gute und solide biblische Lehren glaubt. Manche Menschen haben in zwanzig Jahren zwanzig verschiedene Arten von »Evangelium« empfangen, und es ist nicht vorauszusagen, wie viele sie noch glauben werden, bevor sie an das Ende ihrer Reise kommen. Ich danke Gott, dass er mich früh das eine Evangelium gelehrt hat, mit dem ich vollständig zufrieden bin, dass ich nichts anderes kennenlernen will. Beständiger Wechsel des Glaubensbekenntnisses bedeutet nur Verluste. Wenn Menschen permanent ihre Bekenntnisse wechseln, wird wahrscheinlich keine gute Frucht zur Ehre Gottes dabei herausspringen. Das ist wie wenn ein Baum zwei- bis dreimal im Jahr von seinem Platz versetzt wird. Dann brauchst du keinen großen Speicher bauen, um die Äpfel lagern zu können.

Es ist gut, wenn junge Gläubige ihr Glaubensleben mit dem festen Vertrauen auf die großen grundlegenden Glaubenslehren beginnen, die der Herr in seinem Wort festgelegt hat. Hätte ich geglaubt, was manche predigen, dass es nur eine zeitweilige, eigentlich belanglose Errettung gäbe, wäre ich dafür kaum dankbar gewesen. Aber als ich wusste, dass Gott seine Erlösten mit einer ewigen Erlösung rettet, als ich wusste, dass er ihnen eine ewige Gerechtigkeit gibt, als ich wusste, dass er sie auf ein ewiges Fundament der ewigen Liebe stellt und sie in sein ewiges Königreich bringen wird, ja, da habe ich gestaunt, dass eine solche Segnung gerade mir zuteil geworden war!

Ask, 'Oh, why such love to me?'
Grace hath put me in the number
Of the Saviour's family:
Hallelujah!

Ich denke, einige Leute neigen instinktiv zu der Lehre vom freien Willen. Ich kann nur sagen, dass ich zu der Lehre von der souveränen Gnade Gottes halte. Manchmal wenn ich die übelsten Personen unseres Viertels sehe, könnte ich in Tränen ausbrechen, dass mich Gott niemals wie diese Menschen handeln lassen hat. Ich dachte, wenn Gott mich alleine gelassen hätte, und mich nicht mit seiner Gnade erreicht hätte, welch ein großer Sünder wäre ich geworden. Ich hätte bestimmt die extremsten Sünden begangen, abgetaucht in die Tiefen des Satans, ohne Schranken und ohne Halt, wenn Gott mich nicht davor bewahrt hätte. Ich glaube, ich wäre der „König der Sünder“ geworden, wenn er mich alleine gelassen hätte.

Ich kann nicht verstehen, warum ich gerettet wurde. Es gibt nur einen Grund dafür: Gott wollte es so. Ich kann selbst bei genauestem Hinschauen nicht entdecken, dass es da in mir selbst irgendeine Andeutung eines Grundes gibt, warum ich an der göttlichen Gnade Teilhaber werden durfte. Wenn ich jetzt in diesem Augenblick nicht ohne Christus bin, dann hat dies seine Ursache nur darin, dass Christus Jesus mit mir seinen Plan hat. Dieser Plan war, dass ich da sein sollte, wo er ist, und dass ich an seiner Herrlichkeit teilhaben sollte. Ich kann die Krone nirgendwohin legen als auf sein Haupt, das Haupt dessen, der mich gerettet hat von meinem Weg, der in die Hölle führte. Wenn ich so auf mein Leben zurückschaue, kann ich sehen, dass hinter allem Gott stand, Gott allein. Ich habe keine Fackel benutzt, um die Sonne zu erleuchten, sondern die Sonne hat mich erleuchtet. Ich habe mein geistliches Leben nicht selbst angefangen - nein, ich habe vielmehr gegen die Dinge des Geistes getreten und gekämpft; als er mich zog, bin ich ihm eine Zeitlang nicht gefolgt; in meiner Seele war ein natürlicher Hass gegen alles Heilige und Gute. Wehrufe über mich waren vergeblich, Warnungen wurden in den Wind geschlagen. Donnerschläge wurden missachtet; und was das Flüstern seiner Liebe angeht, es wurde zurückgewiesen als etwas, das weniger ist als nichts. Und so bin ich mir heute sicher, dass ich es sagen kann: »Er allein ist meine Errettung.« Er war es, der mein Herz herumwendete und mich auf meine Knie brachte vor ihm. Ich kann es wie Doddridge und Toplady mit aller Überzeugung sagen:

„Die Gnade befahl meiner Seele zu beten und ließen meine Augen überfließen.“

Und genau an dieser Stelle kann ich hinzufügen:

„Diese Gnade hat mich bis an den heutigen Tag behütet und wird mich nicht mehr loslassen.“

Gut kann ich mich daran erinnern, wie ich die Lehre der Gnade in einem einzigen Augenblick gelernt habe. Wie wir es alle von Natur aus sind, wurde ich als ein Arminianer geboren. Ich glaubte fest daran, was ich immer wieder von der Kanzel herunter gehört hatte, und sah die Gnade Gottes nicht. Als ich auf dem Weg zu Christus war, dachte ich, ich würde es ganz allein tun, und obwohl ich den Herrn ernstlich suchte, hatte ich keine Ahnung, dass er mich suchte. Ich glaube nicht, dass ein Jung-Bekehrter sich dessen bewusst ist. Ich kann noch den Tag und die Stunde nennen, als ich zum ersten Mal diese Wahrheiten in mir selbst begriff - als sie, wie John Bunyan es sagt, in mein Herz eingebrannt wurden wie mit einem heißen Eisen, und ich erinnere mich, dass ich den Eindruck hatte, in einem Augenblick vom Baby zum erwachsenen Mann gewachsen zu sein. Ich hatte einen Fortschritt im biblischen Wissen gemacht, als ich ein für allemal herausgefunden hatte, was der Schlüssel für die Wahrheit Gottes ist.

An einem Wochentag saß ich abends im Haus Gottes. Ich dachte nicht sehr viel nach über das, was der Prediger sagte, denn ich glaubte es nicht. Der Gedanke traf mich: »Wie bist du ein Christ geworden?« Ich habe den Herrn gesucht. »Aber wie bist du darauf gekommen, den Herrn zu suchen?« In diesem einzigen Augenblick leuchtete die Wahrheit in mir auf - ich hätte ihn nicht gesucht, wenn er nicht schon vorher meine Gedanken beeinflusst hätte, indem er mich dazu brachte, ihn zu suchen. Ich betete, so dachte ich, aber dann fragte ich mich: Wie kam ich dazu, zu beten? Ich wurde durch die Heilige Schrift zum Beten ermuntert. Wie kam ich dazu, die Heilige Schrift zu lesen? Ich las sie, aber was hatte mich dazu gebracht?

Da, in einem Augenblick, sah ich, dass Gott der Urgrund aller Dinge ist, dass er der Urheber meines Glaubens war, und so öffnete sich die ganze Lehre der Gnade vor mir. Von dieser Zeit an habe ich nicht von ihr gelassen, und ich möchte, dass dies immer mein beständiges Bekenntnis ist: »Ich verdanke meine ganze Veränderung nur Gott.«

Als erstes möchte ich fragen: Müssen wir nicht alle zugeben, dass es Gottes Vorhersehung und seine Hand war, die uns in diese Welt gebracht haben? Auch jene Menschen, die der Meinung sind, dass wir später unseren eigenen freien Willen haben, um unsere Füße in diese oder jene Richtung zu lenken, müssen doch zugeben, dass wir nicht durch unseren eigenen Willen in diese Welt gekommen sind, sondern dass Gott dies für uns entschieden hat. Welche der Umstände haben wir denn in unserer Hand gehabt, die es uns erlaubt hätten, bestimmte Menschen als unsere Eltern auszuwählen? Hatten wir damit irgend etwas zu tun? Hat nicht Gott selbst unsere Eltern bestimmt, wie auch unseren Geburtsort und unsere Freunde? War es nicht in seiner Hand, mich mit der Haut eines Hottentotten geboren werden zu lassen, zur Welt gebracht von einer Mutter, die mich in ihrem »Kraal« großzieht und mich lehrt, vor heidnischen Göttern die Knie zu beugen? Und konnte er mir nicht genauso leicht eine fromme Mutter geben, die jeden Morgen und jeden Abend ihre Knie beugt, um für mich zu beten?

John Newton erzählte gerne eine wunderliche Geschichte, über die er dann auch immer selber lachen musste: Eine gute Frau sagte, um die Lehre der Erwählung zu beweisen: »Ach, wissen Sie, der Herr muss mich geliebt haben, bevor ich geboren war; hinterher hätte er an mir nichts Liebenswertes mehr gesehen.« Ich bin sicher, dass dies auch in meinem Fall so ist. Ich glaube an die Lehre der Erwählung, denn ich bin mir ganz sicher, dass, wenn Gott mich nicht erwählt hätte, ich niemals ihn erwählt hätte. Und ich bin mir sicher, dass er mich erwählt hat, bevor ich geboren war, hinterher hätte er mich nicht mehr erwählt. Und er muss mich aus Gründen erwählt haben, die mir unbekannt sind, denn ich konnte in mir selbst nie einen Grund finden, warum er mich mit besonderer Liebe hätte anschauen sollen. So bin ich also gezwungen, diese große biblische Lehre anzunehmen.»

Ich erinnere mich an einen arminianischen Bruder, der mir sagte, er habe die Bibel zwanzigmal oder mehr durchgelesen und die Lehre der Erwählung in ihr nicht gefunden. Dann fügte er hinzu, dass er sie sicher gefunden hätte, wenn sie da wäre, denn er habe die Bibel auf seinen Knien gelesen. Ich sagte zu ihm:

»Ich denke, du hast die Bibel in einer sehr unkomfortablen Lage gelesen. Hättest du sie in deinem Sessel gelesen, dann hättest du sie auch vielleicht besser verstanden. Bete so, und je mehr, je besser. Aber es ist ein Stück Hochmut zu denken, es hätte irgendeine Bedeutung, in welcher Körperhaltung ein Mensch die Bibel liest. Und was das zwanzigfache Durchlesen der Bibel betrifft, ohne etwas über die Lehre der Erwählung gefunden zu haben: Es ist ein Wunder, dass du überhaupt etwas gefunden hast. Du musst mit einer solchen Geschwindigkeit hindurchgaloppiert sein, dass es nicht zu erwarten war, überhaupt einen vernünftigen Gedanken über die Bedeutung der Heiligen Schrift zu bekommen.«

Wenn es schon wunderbar ist, einen Fluss zu sehen, wie er ausgewachsen aus der Erde entspringt, wie wäre es dann, eine riesige Quelle zu sehen, aus der all die Ströme der Erde zugleich herausfließen würden, eine Million, alle in einer Geburt geboren? Was für eine Schau wäre dies! Wer kann sich so etwas vorstellen? Und doch ist die Liebe Gottes diese Quelle, in der all die Ströme der Güte, die jemals die Menschheit erfreut haben - all die Ströme der Gnade zu jeder Zeit und der Herrlichkeit später - ihren Ursprung haben. Meine Seele, steh du an diesem heiligen Quellgrund und lobe und verherrliche Gott für immer und ewig; Gott, der sogar unser Vater ist, der uns geliebt hat! Vom Anfang an, als dieses große Universum noch in Gott verborgen lag wie ungeborene Wälder in dem Eichen-Samen, lange bevor ein Echo die Einöde aufweckte, bevor die Berge geboren wurden und lange bevor das Licht durch den Himmel strahlte, liebte Gott seine Geschöpfe. Bevor es irgendein erschaffenes Wesen gab - als der Äther noch nicht durch Engelsflügel bewegt wurde, als der Weltraum selbst noch nicht existierte, als es nichts gab als Gott allein - selbst da, in jener Einsamkeit der Gottheit und in dieser tiefen Stille und Tiefgründigkeit wurde sein Innerstes von der Liebe für seine Erwählten bewegt. Ihre Namen waren in sein Herz geschrieben und seiner Seele lieb. Jesus liebte sein Volk vor Grundlegung der Welt - ja, von Ewigkeit her! Und als er mich in seiner Gnade rief, sagte er zu mir: »Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.«

Dann, als die Zeit erfüllt war, reinigte er mich mit seinem Blut. Er ließ sein Herz in einem großen Stoß für mich verbluten, sein Herz, das schon lange, bevor ich ihn liebte, für mich verwundet worden war. Als er das erstemal zu mir kam, habe ich ihn da nicht verschmäht und abgewiesen? Als er an meine Tür klopfte und um Einlass bat, habe ich ihn nicht weggeschickt und seine Gnade abgelehnt? Ach! Ich weiß noch genau, dass ich dies jedesmal und immer wieder getan habe, solange, bis er schließlich durch die Macht seiner wirksamen Gnade sagte: »Ich muss, ich werde hineinkommen.« Dann kehrte er mein Herz um und brachte mich dazu, ihn zu lieben. Ist mein Heiland für mich gestorben, weil ich an ihn geglaubt habe? Nein, ich lebte damals noch gar nicht. »Aber«, sagt vielleicht jemand, »er sah voraus, dass du Glauben haben würdest und deshalb liebte er dich.« Was sah er denn voraus in Bezug auf meinen Glauben? Sah er voraus, dass ich von mir selbst aus Glauben haben würde und ihm von mir selbst aus vertrauen würde? Nein, Christus konnte dies nicht voraussehen, denn kein Christ kann jemals sagen, dass der Glaube von ihm selber komme ohne die Gabe und ohne das Werk des Heiligen Geistes. Ich habe sehr viele Gläubige getroffen und mit ihnen über diese Frage gesprochen. Aber ich kenne nicht einen einzigen, der seine Hand auf sein Herz legen würde und sagen: »Ich glaubte an Jesus ohne den Beistand des Heiligen Geistes.«

Ich muss die Lehre der Verdorbenheit des menschlichen Herzen glauben, denn ich finde, dass ich selbst in meinem Herzen verdorben bin, und habe täglich Beweise dafür, dass in meinem Fleische nichts Gutes wohnt. Wenn Gott einen Bund mit dem noch nicht gefallenen Menschen schließen würde, dann wäre der Mensch noch immer eine Kreatur von so unbedeutendem Wert, dass es ein Akt der gnädigen Herablassung Gottes wäre, wenn er sich mit ihm verbände. Aber wenn Gott einen Bund mit dem sündigen Menschen macht, einer so widerspenstigen Kreatur, ist ein solcher Bund für Gott ein Akt der reinen, freien, reichen und souveränen Gnade.

Ein kürzlich verstorbener Mann hat unter ein Porträt von sich den höchst bemerkenswerten Text gesetzt: »Die Rettung ist des Herrn«. Dies ist soviel wie ein Synonym für Calvinismus. Wenn mich jemand fragen würde, was ich unter einem Calvinisten verstehe, dann würde ich antworten: »Das ist einer, der sagt: Die Rettung ist des Herrn.« Ich kann in der Heiligen Schrift keine andere Lehre finden. Sie ist die Essenz der Bibel. »Er allein ist mein Fels und meine Rettung.« Sage mir irgend etwas, was dieser Wahrheit widerspricht, und es wird eine Irrlehre sein. Sage mir eine Irrlehre, und ich werde ihren Ursprung hierin finden, dass sie sich entfernt hat von dieser großen, dieser fundamentalen, dieser felsenfesten Wahrheit: »Gott ist mein Fels und meine Rettung.« Was ist die Irrlehre Roms anderes, als dass man zu dem vollkommenen Verdienst Jesu Christi etwas hinzugefügt hat - dass man die Werke des Fleisches mit hineingebracht hat, um uns in unserer Rechtfertigung beizustehen? Und was ist die Irrlehre der Arminianer anderes als die Hinzufügung von etwas zu dem Werk des Erlösers? Jede Irrlehre, wenn man ihren eigentlichen Ansatzpunkt nimmt, läßt sich hierauf zurückführen. Ich meine, dass man nicht Christus und ihn als den Gekreuzigten predigen kann, wenn man nicht das predigt, was man heute gemeinhin Calvinismus nennt. Der Name »Calvinismus« ist eigentlich ein Spitzname. Calvinismus ist Evangelium, nichts anderes.

Wenn einer der Heiligen Gottes verlorengeht, dann können alle verlorengehen. Wenn ein Teilhaber am Bund verlorengeht, dann können alle verlorengehen, und dann gibt es keine Verheißung des Evangeliums mehr, die wahr ist. Dann ist die Bibel eine Lüge, und es ist in ihr nichts, was meiner Annahme wert wäre. Gott ändert seinen Plan nicht, warum sollte er? Er ist der Allmächtige und kann deshalb tun, was immer er will. Warum sollte er nicht? Gott ist allwissend und kann daher nichts falsch planen. Warum sollte er? Er ist der ewige Gott und kann daher nicht sterben, ohne dass sein Plan vollendet wäre. Warum sollte er sich ändern? Ihr wertlosen Atome der Erde, Strohfeuer eines einzigen Tages, ihr kriechenden Insekten auf dem Lorbeerblatt der Existenz, ihr mögt eure Pläne ändern, aber er niemals. Hat er mir gesagt, dass es sein Plan ist, mich zu retten? Dann bin ich für immer gerettet.

Ich weiß nicht, wie manche Leute, die denken, dass ein Christ aus der Gnade fallen kann, es fertig bringen, glücklich zu sein. Wenn ich nicht an die Lehre der endgültigen Bewahrung der Heiligen glaubte, wäre ich der Elendeste unter allen Menschen, denn dann hätte ich keine Ursache des Trostes mehr. Ich glaube, dass die glücklichsten und echtesten Christen jene sind, die es niemals wagen, an Gott zu zweifeln, sondern die sein Wort einfach so, wie es dasteht, annehmen, es glauben und nicht in Frage stellen, weil sie wissen, dass, wenn Gott es so sagt, es auch so ist. Ich bezeuge, dass ich keinen Grund habe, an meinem Herrn zu zweifeln. Ich fordere Himmel und Erde und Hölle auf, einen Beweis dafür zu erbringen, dass Gott unwahrhaftig wäre. Er ist ein Gott, der seine Versprechen hält. Dies wird sich an jedem einzelnen aus seinem Volk zeigen.

Ich weiß wohl, dass es einige gibt, die es für ihr System der Theologie für unerlässlich halten, den Wert des Blutes Jesu zu begrenzen. Wenn mein theologisches System eine solche Begrenzung nötig hätte, dann würde ich es in den Wind schlagen. Ich kann und wage nicht, diesen Gedanken in meinem Denken zuzulassen, es scheint mir zu nahe an einer Lästerung zu liegen. Der Wert des vollendeten Werkes Jesu Christi füllt ein weites Meer. Mein Senkblei findet keinen Grund und mein Auge erblickt kein Ufer. Es muss im Blut Christi genügend Wirkungskraft liegen, dass Gott, wenn er es gewollt hätte, nicht nur alle in dieser Welt, sondern auch alle in zehntausend anderen Welten hätte retten können, wenn sie das Gesetz ihres Schöpfers übertreten hätten. Wenn man, ihm erst einmal die Unendlichkeit zugesteht, dann ist eine Begrenzung nicht mehr denkbar. Wenn man eine göttliche Person als Opfer hat, ist es unmöglich, noch an einen begrenzten Wert zu denken. Die Begriffe »Grenze« und »Einschränkung« sind Begriffe, die sich nicht auf das göttliche Opfer anwenden lassen. Die Absicht des göttlichen Vorhabens bestimmt zwar die Anwendung des unendlichen Opfers, macht es aber nicht zu einem endlichen Werk.

»Eine große Menge, die kein Mensch zählen kann«, wird im Himmel sein. Ich denke, mehr als in der Hölle, weil Christus »in allem den Vorrang« hat, und ich kann mir nicht vorstellen, dass mehr unter Satans Herrschaft sind als unter der Christi. Außerdem habe ich nirgends gelesen, dass es in der Hölle so große Mengen gäbe, die niemand zählen kann.

Dann gibt es einige, die lieben die Lehre der Universalversöhnung, weil sie sagen: »Sie ist so wundervoll. Es ist eine liebenswerte Idee, dass Christus für alle Menschen gestorben ist; sie empfiehlt sich von selbst dem Gefühl des Menschen. Es liegt etwas von Freude und Schönheit darin.« Ich gebe zu, dass das stimmt, aber sehr oft ist Schönheit mit Falschheit gepaart. Vieles an dieser Idee der Universalversöhnung1 könnte ich bewundern, aber ich will hier einfach nur zeigen, was diese Annahme notwendig mit sich bringt.

Wenn Christus an seinem Kreuz starb, um alle Menschen zu retten, dann war es auch sein Vorsatz, jene zu retten, die vor ihm gestorben und verloren gegangen sind. Wenn diese Lehre stimmt, dann starb er also für einige, die schon in der Hölle waren, bevor er in diese Welt kam, denn ohne Zweifel gab es schon damals unzählig viele, die wegen ihrer Sünden verworfen worden waren. Noch einmal: Wenn Christus vorhatte, alle Menschen zu retten, wie kläglich ist er dann enttäuscht worden, denn wir haben doch sein eigenes Zeugnis, dass es einen See gibt, der mit Feuer und Schwefel brennt, und in eben diesen See sind nun welche von denen geworfen worden, für die er, der Universalversöhnung1 zufolge, mit seinem Blut bezahlt hat. Dies aber scheint mir ein Gedanke zu sein, der tausendmal mehr verwerflich ist als alle Folgerungen, denen man nach für Menschen starb, die in der Hölle waren oder sind, scheint mir eine Vorstellung zu sein, die zu schrecklich ist, um sie aufrecht zu erhalten.

Es gibt niemand, der mehr an den Lehren der Gnade festhält als ich. Wenn mich jemand fragte, ob ich mich schäme, ein Calvinist genannt zu werden, dann würde ich antworten: Ich möchte nichts anderes heißen, als Christ. Aber wenn du fragst, ob ich die lehrmäßigen Anschauungen von Johannes Calvin für richtig halte, dann antworte ich, dass ich sie im großen und ganzen für richtig halte. Ich bekenne dies gerne. Aber es liegt mir fern zu denken, dass Zion nur calvinistische Christen enthält, oder dass niemand gerettet würde, der nicht an diese Lehren glaubt. Es sind schon ganz furchtbare Dinge gesagt worden über den angeblichen Charakter und die geistliche Art von John Wesley, den modernen Vertreter des Arminianismus. Ich kann nur sagen, dass ich - auch wenn ich manche der Lehren, die er verkündigt hat, ablehne - für ihn persönlich eine Hochachtung empfinde, die keinem seiner Anhänger nachsteht. Wenn man noch zwei Apostel zu den Zwölfen hinzufügen müsste, dann, glaube ich, könnte man niemand finden, der dafür mehr geeignet wäre als George Whitefield und John Wesley.

Ich glaube nicht, dass ich mich von meinen hyper-calvinistischen Brüdern in irgendeinem Punkt dessen, was sie glauben, unterscheide; aber ich unterscheide mich von ihnen in Bezug auf das, was sie nicht glauben. Ich halte nicht an weniger fest, als sie es tun, aber ich halte an ein klein wenig mehr fest, ein klein wenig mehr - wie ich denke - von der Wahrheit der Heiligen Schrift. Das System der Wahrheit, das in der Heiligen Schrift offenbart ist, ist nicht eine gerade Linie; es sind zwei. Und niemand wird jemals eine richtige Sicht des Evangeliums erhalten, bevor er nicht gelernt hat, beide Linien zugleich zu sehen. Zum Beispiel lese ich in einem Buch der Bibel: »Der Geist und die Braut sagen: „Komm.“ Und wer es hört, der sage: „Komm.“ Und wen dürstet, der komme und nehme das Wasser des Lebens umsonst.« Und doch lerne ich an einer anderen Stelle desselben inspirierten Wortes Gottes, dass es nicht »an jemandes Wollen oder Laufen« liegt, »sondern an Gottes Erbarmen«. An der einen Stelle sehe ich, wie Gott in seiner Vorhersehung über allem steht, und doch sehe ich auch, und ich kann nicht daran vorbei, dass der Mensch handelt, wie er will, und dass Gott sein Handeln in einem großen Maße ihm selbst überlassen hat und seinem eigenen freien Willen. Wenn ich nun auf der einen Seite behaupten würde, dass der Mensch so frei ist in seinem Handeln, dass es keine Kontrolle Gottes über sein Tun gäbe, dann wäre ich sehr gefährlich nahe an den Atheismus herangekommen. Wenn ich auf der anderen Seite erklären würde, dass Gott alle Dinge so sehr überwacht, dass der Mensch nicht frei genug ist, um selbst verantwortlich zu sein, dann wäre ich sofort beim Antinomismus oder Fatalismus. Dass Gott vorherbestimmt und dass der Mensch doch selbst verantwortlich ist, sind zwei Tatsachen, die nur wenige klar sehen. Man hält sie für unvereinbar miteinander und für Widersprüche, aber sie sind es nicht. Der Fehler liegt in unserem schwachen Beurteilungsvermögen. Zwei Wahrheiten können sich nicht gegenseitig ausschließen. Wenn ich also an einer Stelle der Bibel finde, dass alles von oben her bestimmt ist, dann ist das wahr. Wenn ich dann an einer anderen Stelle finde, dass der Mensch für alle seine Taten verantwortlich ist, dann ist auch das wahr. Es ist einzig und allein meine Dummheit, die mich dazu bringt, zu denken, diese beiden Wahrheiten könnten sich jemals widersprechen. Ich glaube nicht, dass sie je auf irgendeinem irdischen Amboss zu einer einzigen Wahrheit zusammengeschmiedet werden können, aber sie werden sicher in der Ewigkeit eins sein. Sie sind zwei Linien, die so parallel sind, dass der menschliche Verstand ihnen so weit, wie es geht, folgen kann, ohne zu sehen, dass sie sich jemals treffen. Aber sie treffen sich und werden eins, irgendwo in der Ewigkeit, nahe bei dem Thron Gottes, wo alle Wahrheit entspringt.

Oft wird gesagt, die Glaubenslehren, die wir glauben, hätten eine Tendenz, uns zur Sünde zu verführen. Ich habe schon die Behauptung gehört, diese hohen Lehren, die wir lieben und die wir in der Heiligen Schrift finden, seien unsittliche Lehren. Ich möchte wissen, wer sich noch traut, eine solche Behauptung zu machen, wenn er weiß, dass die heiligsten Männer an diese Lehren geglaubt haben. Ich frage denjenigen, der es wagt zu sagen, dass Calvinismus eine unsittliche Religion sei, was er denn über den Charakter von Augustin, Calvin oder Whitefield denkt, die in verschiedenen Jahrhunderten die großen Vertreter des Systems der Gnade waren. Oder was will er über die Puritaner sagen, deren Bücher voll davon sind? Wäre in jenen Tagen einer Arminianer gewesen, dann hätte man ihn als abscheulichsten Irrlehrer, der auf dieser Erde atmet, angesehen. Heute sieht man uns als Irrlehrer an, sie sind die Orthodoxen. Aber wir haben den Glauben der alten Schule, wir können uns auf die Apostel zurückführen. Es ist diese Ader der freien Gnade, die durch die Verkündigung der Baptisten läuft, die uns als Denomination gerettet hat. Wäre dies nicht gewesen, gäbe es uns heute überhaupt nicht. Wir können eine goldene Linie bis hin zu Jesus Christus ziehen, eine heilige Folge von mächtigen Vätern, die alle diese wunderbaren Wahrheiten festhielten, und fragen: »Wo findet man bessere und heiligere Menschen auf der Erde?« Keine Lehre eignet sich so gut dazu, Menschen vor der Sünde zu bewahren, wie die Lehre der Gnade Gottes. Wer sie eine »unsittliche Lehre« genannt hat, wusste nichts von ihr.

Oh, wie armselig sind diese Dinge! Die Gegner der Lehre der Gnade Gottes wussten kaum, dass ihre eigenen nichtswürdigen Lehren die unsittlichsten auf der Welt waren. Wenn sie die Gnade Gottes wirklich kennen würden, würden sie schnell entdecken, dass es kein Entrinnen vor der Erkenntnis gibt, dass wir vor Grundlegung der Welt auserwählt sind. Es gibt nichts Vergleichbares, wie den Glauben an meine ewige Bewahrung (eternal perseverance) und die Unveränderlichkeit der Zuneigung meines Vater, die mich aus purer Dankbarkeit nah bei ihm halten kann. Nichts macht einen Menschen so geradlinig, wie der Glaube an die Wahrheit.

Lügen-Lehren werden bald in ein Lügen-Leben münden. Ein Mensch kann nicht einen fehlerhaften Glauben haben, ohne nicht Stück für Stück auch einen fehlerhaften Lebenswandel zu haben. Ich glaube, das eine bedingt das andere.

Von allen Menschen, haben diejenigen die uneigennützige Zurückhaltung, die aufrichtigste Ehrerbietung, die leidenschaftliche Hingabe, die glauben, dass sie aus Gnade ohne Werke durch den Glauben und das nicht aus sich selbst gerettet sind, sondern durch die Gabe Gottes. Christen sollten aufpassen und erkennen, dass es so ist, damit nicht etwa irgendwie Christus noch einmal gekreuzigt werden muss und zur Schande für alle gemacht wird.


übernommen mit freundlicher Genehmigung
aus den hervorragenden Seiten von Andreas Janssen
Glaubensstimme.de